DIE MISSBRAUCHTE LIEBE

 

 

1. EINFÜHRUNG

 

Der Begriff der Liebe ist genauso missbraucht in der heutigen Zeit wie die Liebe selbst! Sexualität und Liebe werden auf einen Nenner gestellt. Die menschliche Natur, bestehend aus Leib und Seele wird mehr und mehr verkannt, der Leib zunehmend als Triebobjekt missbraucht. So häufen sich weltweit der sexuelle Missbrauch, Vergewaltigung, insbesondere an Kindern und Jugendlichen. Das kindliche Vertrauen und die jugendliche Neugierde werden ausgenutzt um es zu missbrauchen für die Selbstsucht. Sehr häufig ereignet sich dieser Missbrauch der Liebe in der Ehe, was ein sehr schweres Vergehen gegen die Ordnung Gottes ist. 

 

Papst Johannes Paul II. schreibt: "Durch die ,Brille' der Ehe und der ehelichen Vereinigung ... entdecken wir ,den Sinn des gesamten Daseins, den Sinn des Lebens' wieder" (29. Okt. 1980)

 

Papst Johannes Paul II. sieht das Gegenteil von Liebe nicht im Hass, sondern als "Benutzen eines anderen als Mittel, um die eigenen selbstsüchtigen Ziele zu erreichen."

Genau dieses Benutzen können wir weltweit immer mehr beobachten. Dass die geschlechtliche Vereinigung von Gott und damit von der römisch-katholischen Kirche in den Schutz der Ehe gestellt ist, gilt als "out" und "altmodisch". Ein neuer Begriff der "freien Liebe" hat sich in die Herzen der Menschen eingepflanzt. Die Frucht dieser Aussaat sind Ablehnung, Millionen unschuldig ermordete ungeborene Kinder, Missbrauch der Sexualität in allen Varianten, hilflose Aufklärungsversuche an Schulen und Kindergärten, Zerstörung der Familien und die immer weiter fortschreitende Unordnung und Zerstörung der Schöpfung. Der Mensch ist auf dem Weg der völligen Selbstzerstörung. 

 

Papst Johannes Paul hinterließ uns das große Erbe der "Theologie des Leibes". Christopher West (USA), Ehemann, Vater von drei Kindern und Lehrer der Theologie des Leibes an verschiedenen Instituten hat dies den Menschen in einfacher Sprache zugänglich gemacht. Wie gerufen kommt passend dazu die neue Enzyklika von Papst Benedikt XVI., Gott ist die Liebe (Deus caritas est). Wenn wir dieses Schreiben betrachten, so erkennen wir eine Klarheit, eine Reinheit, einen einheitlichen Geist, den Hl. Geist. 

 

Jesus Christus brachte uns die Botschaft der Liebe, nicht des Todes, er ist auferstanden! Diese Liebe offenbarte sich vor allem in seiner Menschwerdung in Maria, unserer lieben Mutter, und in der vollkommenen Hingabe bis zum Tod am Kreuz. Von dort her hat Christus Himmel und Erde vereint. "Von dort her ist nun zu definieren, was Liebe ist. Von diesem Blick her findet der Christ den Weg seines Lebens und Liebens." (Deus caritas est, S. 21)

 

Dieser Blick auf das Kreuz ist gleichzeitig auch der Blick durch die "Brille der Ehe", weil dort Christus den Neuen Bund mit uns geschlossen hat. Er ist uns neu begegnet, hat uns im Herzen berührt und will in uns wohnen durch das Sakrament der Hl. Eucharistie. Auf dieser Basis wollen wir den Missbrauch der Liebe im Bereich der Sexualität betrachten. Von dort soll unser Blick ausgehen und dorthin soll er zurückführen. Gott berührt uns im Blick auf das Geheimnis des Kreuzes, das wir mannigfaltig im Leben erleben können, in erster Linie durch unser eigenes Leiden.

 

"Die Worte des Gebetes Christi im Garten Getsemani beweisen die Wahrheit der Liebe durch die Wahrheit des Leidens." (Papst Johannes Paul II., salfivici doloris, S. 20)

 

Der Missbrauch der Sexualität, ob bei klein oder groß ist ein sehr schmerzvolles Leiden, weil es die Wurzel unserer Existenz schwer verwundet. Es wird oft nicht verstanden oder gar nicht bekannt, gar nivelliert. Oft bleibt es bis zum Lebensende ein Geheimnis, weil die Betroffenen aufgrund dieses schweren Konfliktes sich nicht trauen oder nicht die Kraft haben darüber zu sprechen. Es bedarf also in diesem Bereich dringend Hilfe und Aufklärung und ein liebendes, offenes Herz. Durch die Berührung der eigenen Leiden mit den Leiden Christi erfahren wir die Erlösung der missbrauchten Liebe durch die erlösende, barmherzige Liebe Christi.

 

2. BERÜHRUNG UND REINHEIT

 

"Wenn die Berührung mit Gott in meinem Leben ganz fehlt, dann kann ich im anderen immer nur den anderen sehen und kann das göttliche Bild in ihm nicht erkennen. Nur der Dienst am Nächsten öffnet mir die Augen dafür, was Gott für mich tut und wie er mich liebt." (Papst Benedikt XVI., Deus caritas est)

 

Berührungsängste durch Berührung von Menschen bedeutet analog die Angst von Gott berührt zu werden. Da stellt sich die Frage, warum ich Angst habe mich von Gott berühren zu lassen. Bin ich schon einmal falsch berührt worden? Sich nicht berühren lassen wollen oder es als unangenehm empfinden heißt Angst mich fallen zu lassen, mich zu öffnen. Wenn die Vereinigung von Mann und Frau im inneren Zusammenhang steht mit der Vereinigung von Gott und den Menschen, dann bedeutet eine Unordnung in der geschlechtlichen Vereinigung auch eine Unordnung in der inneren Vereinigung von Leib und Seele und umgekehrt. Ich kann mich nicht auf das Gefühl einlassen, weil ich Angst habe falsch berührt zu werden. Die geistige Haltung im Herzen bei der Zeugung/Empfängnis legt die Wurzel für Leib und Seele des Kindes in seinem Leben. Diese innere Einheit entsteht durch die Einswerdung des Denkens, Fühlens und Wollens durch die Liebe Christi, die Liebe wird ganz.

 

Die Unordnung bedeutet eine nicht gereinigte Liebe, d. h. der "aufbrausenden und begehrlichen Liebe", dem Eros. Das Ehesakrament bewirkt diese Reinigung und Heiligung der Liebe in der geschlechtlichen Vereinigung vom besitzergreifenden Begehren hin zur Hingabe durch das Kreuzopfer Christi. Berührungsangst ist also ein Problem der Reinheit der Liebe, eine Unordnung der Liebe. ich habe Angst vor der Liebe Gottes, Angst von dieser Liebe berührt zu werden, aber warum? Es ist eine Angst mich berühren zu lassen, also eine Angst mich hinzugeben. Besonders der Aufenthalt und Kontakt unter Menschen ist eine ständige Bedrohung, die Menschen werden unbewusst durch den geistigen "Code", wie ein Virus auf der Festplatte des PC, ständig in Anspannung gehalten und nutzen alle Möglichkeiten um diesen inneren Konflikt auszuweichen. Das kann z. B. das ständige Essen sein, ständiges Reisen, ständiges Lesen (geistiges Essen), ständiges Reden, Herzumzappeln (auch ADS-Syndrom) usw.  

 

 

3. DAS FALSCHE GOTTESBILD

 

Warum kann man sich dann nicht hingeben?

 

Beispiel:

 

Ein Kind wird durch Vergewaltigung der Ehefrau gezeugt, unter Zwang. Die geschlechtliche Vereinigung ist also in der völligen Unordnung, es ist keine Hingabe, sondern Eigennutz und aufbrausendes Begehren im Herzen. Diese Erfahrung im Leib, diese Hilflosigkeit speichert auf moralischer Ebene, in der Seele der Frau, die Information:

"Ich darf mich nicht hingeben, sonst werde ich vergewaltigt." Die geschlechtliche Vereinigung ist keine Erfahrung der Hingabe und des "JA", sondern die leibliche Vereinigung vollzieht sich unter einem "Nein". Die geschlechtliche Vereinigung vollzieht sich aber durch den ganzen Menschen, mit Leib und Seele. Das bedeutet, dass diese Erfahrung des "Nein" bei der geschlechtlichen Vereinigung sich ebenso überträgt auf die seelische Ebene und somit auf die Vereinigung mit Gott.

 

Zwei Begriffe werde sozusagen im falschen Zusammenhang gespeichert,  

"Vereinigung" und "NEIN".

Dieses Bild ist ein falsches Gottesbild, das sich auf seelischer Ebene eingeprägt hat. In der Seele ist die Information gespeichert: "Liebe = Angst".

Papst Benedikt XVI. schreibt (Deus caritas est): "Die Erkenntnis des lebendigen Gottes ist Weg zur Liebe"

 

Vereinigung heißt im biblischen Sinn auch Erkenntnis. Vereinigung bedeutet immer Hingabe und eine Öffnung gegenüber Gott. Die negative Erfahrung auf leiblicher Ebene wird automatisch übertragen auf die Gefühlsebene. Dies bedeutet wiederum, dass in meinen Gefühlen die Information gespeichert ist: "Öffnung bedeutet Ablehnung" oder "Öffnung bedeutet Gewalt, Strafe". Das Gottesbild das hier gespeichert ist, ist das Bild eines strafenden Gottes, der mich ablehnt, wenn ich mich hingebe.

 

Dieses falsche Gottesbild überträgt sich ebenso auf den Willen und den Verstand, des ganzen Denkens. So wie ich auf der Gefühlsebene mich nicht öffnen kann, so kann ich auf der geistigen Ebene nicht darüber sprechen. Die Quelle des falschen Bildes liegt in der Seele, im Bereich der Affekte. Dieses geistliche Trauma liegt wie ein "geistiger Code" im Geist des Menschen und beeinflusst von dort aus seine Psyche und sein ganzes Verhalten. Dort ist das Trauma der Vergewaltigung, der missbrauchten Liebe, der Ablehnung, gespeichert. Von dort aus wirkt es auf das Herz, die Gefühlsebene, die Liebe. 

Da die Seele sozusagen der "Vermittler" (Tomislav Ivancic) zwischen Geist, Psyche und Leib ist, wirkt sich das Trauma auf moralischer Ebene auf alle drei Bereiche aus, was bedeutet, dass auch alle drei Bereiche krank sind und der Heilung bedürfen. Dazu ist es notwendig, dass man zur Wurzel der geistlichen Krankheit findet und die liegt hier bei der Empfängnis. Sie kann sogar vor der Empfängnis liegen, als Fortwirkung der Folgen von sex. Missbrauch in den Generationen. 

 

4. Die verschiedenen Ebenen

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a) LEIB                                                                          b) PSYCHE - Emotionen - 

 

SEELE              

 

 

d) GEIST        - Affekte - 

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Der Kern des Schmerzes geht von der Ebene d)  von innen aus und wirkt nach außen hin durch bis zur Ebene a)

Alle Ebenen stehen in ständiger Wechselwirkung zueinander. Die Seele ist dabei wie der "Vermittler" des Geistes zu Leib und Psyche aber auch umgekehrt. Die Seele hat dabei einen "höheren Teil" in dem sie mit GOTT kommuniziert und einen "niederen Teil", der unmittelbar mit dem Unbewussten verbunden ist. Im Zentrum der Geist-Seele ist GOTT selbst, die Hl. DREIFALTIGKEIT. (vgl. "Diagnose der Seele", Tomislav Ivancic).  

 

a) Ebene des Geistes und der Seele

 

Die Erfahrung des Missbrauchs der Sexualität (kann auch auf andere Weise geschehen) vollzieht sich auf der leiblichen Ebene, z. B. durch die erzwungene geschlechtliche Vereinigung (oder falsche Berührung). Diese negative Erfahrung wird allerdings als erstes als Trauma auf der Ebene des Geistes in der Seele erlebt und von dort weitergleitet zur Psyche und dort gespeichert. Dort werden Gedächtnis, Verstand und Wille, die Emotionen, das Verhalten und alle Körperfunktionen, v. a. die unbewussten, beeinflusst und gesteuert. Der Kern des Problems ist die Speicherung der Information auf moralischer Ebene: "Liebe und Angst". Es ist ein "Schmerz der Seele". (salvifici doloris)

 

Die Person (meist die Frau) erfährt die Liebe als eine Beherrschung und Unterdrückung, die Liebe als eine erdrückende Macht, die sie selbst ohnmächtig macht. Es ist eine Erfahrung der eigenen Ohnmacht, der Hilflosigkeit, "Ich bin hilflos und kann nichts tun". Diese Erfahrung der Ohnmacht und Hilflosigkeit ist eine Erfahrung der Unordnung der Liebe. Die Betroffenen erfahren so eine tiefe Verletzung ihrer eigenen menschlichen Würde des Leibes. Diese Entweihung des Leibes bedeutet ebenso eine Entwürdigung des Abbildes Gottes, der Seele. Die zweite Information, die hierzu gespeichert wird, ist: "Ich bin nichts wert, keiner liebt mich."  Die geschlechtliche Vereinigung wird nicht als schenkende Liebe sondern als beherrschende Liebe erfahren, die mich ohnmächtig macht. Genau diese Informationen durchwirken alle Ebenen der Person. Ich habe immer Angst die Kontrolle zu verlieren.  Dieses Bild in der Seele durchwirkt alle Bereiche des Lebens und führt mich entweder in die Isolation und Ausgrenzung (passiver Charakter) oder in Dominanz und Herrschsucht über andere (aktiver Charakter). Beides ist Ausdruck der Unordnung der Liebe, der inneren Unreinheit und Trennung.

Die Erfahrung der Ohnmacht wird durch die eigene Machtausübung verdrängt, z. B. durch ständiges Schweigen oder durch Freude am Schaden anderer. Im Kern ist das Trauma verborgen und eine tiefe Abneigung gegen sich selbst. Diese Abneigung wird nach außen projeziert und kann sogar in Hass ausarten gegenüber der Umwelt und anderen Menschen. Es können ganz unscheinbare Impulse sein (sog. Trigger-Effekte), die an das tief im Menschen verwurzelte Traum rühren und dann unmittelbar Hass auslösen.  

 

Dies drückt sich sowohl im aktiven Charakter als auch im passiven Charakter der Liebe aus. Ich kann selbst nicht lieben, weil ich Angst habe, nicht geliebt zu werden. Ich kann mich aber auch nicht lieben lassen, weil ich Angst habe die Kontrolle zu verlieren und abgelehnt zu werden. So führt dies zu einem fortwährenden Kreislauf, der o. g. Folgen hat.. Ich kann nicht lieben und kann mich nicht lieben lassen. So kontrolliere ich mich selbst entweder passiv durch Rückzug oder aktiv, indem ich meine Umwelt und meine Mitmenschen ständig dominieren und kontrollieren will. Es gilt damit in erster Linie diesen Kreislauf zu erkennen, wahrhaftig anzunehmen. Die Annahme dieses Leidens und gleichzeitig die Aufopferung ist von entscheidender Bedeutung. Die Betroffenen sind meist vollkommen blind gegenüber sich selbst und glauben, dass das, was sie tun notwendig ist und zu ihrem Leben gehört. Dabei haben sie sich ihr ganzes Leben lang in eine Lebenslüge verstrickt, eben diese Lüge: "Ich darf nicht die Wahrheit sagen, ich muss schweigen über dieses Geheimnis (sex. Missbrauch)". In der Tiefe dieses Menschen steckt ein tiefes Schuldgefühl, dass vom Geist her ständig in die Psyche dringt und das ganze Verhalten beherrscht und steuert. Oft fühlen sich die Betroffenen ständig schmutzig und ekeln sich vor sich selbst. Sie verdrängen dieses Schuldgefühl in sich sehr häufig mit Putzen, ständigem Reinigen, ständigem Umziehen oder genau ins Gegenteil mit absolut übermäßigem Anhäufen und Sammeln von Gegenständen, Gerümpel, Müll usw. Unbewusst suchen sie dort sich Halt zu geben, weil sie sich nicht aus sich selbst aus diesem Kreislauf herausbewegen können.   

 

b) Ebene der Psyche

 

Auf der psychischen Ebene zeigt sich dies häufig dadurch, dass die Person nicht sprechen kann, stumm wird vor Angst etwas Falsches zu sagen. Ich kann zu Gott im Gebet kein lebendiges Verhältnis aufbauen, es ist nur stumpf, eine religiöse Übung.  Ich kann nicht sprechen aus Angst die Kontrolle zu verlieren, ohnmächtig zu werden, und ich will mich deshalb auch nicht belehren lassen.

Beim Sprechen ist zu beobachten, dass sie Personen nicht frei sprechen können, sondern immer ein Raster, ein Muster brauchen, wie eine Art Treppengeländer an dem sie sich festhalten. Da die innere Einheit fehlt, müssen sie sich äußerlich festhalten. Dieses äußere Festhalten spiegelt wieder die Angst loszulassen, die Angst die Kontrolle zu verlieren.

Auch zu beobachten ist, dass längeres Reden, Lesen, Schreiben, oft nicht möglich ist, weil der freie Fluss der Sprache blockiert ist. Es kommt zum Stottern, zu Sprachproblemen (z. B. Legasthenik) oder zum völligen Verstummen während des Sprechens. Sprechen bedeutet immer ein Öffnen, v. a. beim Singen ist dies der Fall. Gerade die Stimme ist bei den meisten Betroffenen blockiert, sie können nicht singen. Die Ebene der Sprache ist verbunden mit der Ebene des Gefühls. Singen oder freies Sprechen würde bedeuten, dass die Gefühle frei werden und gerade das lässt wieder die Angst vor der Ohnmacht in ihnen hochsteigen. Beim Sprechen und Schreiben tritt meistens ein zentrales Problem auf: 

Die Sprache ist oft statisch, d. h. nicht weich und von Verben und Adjektiven durchdrungen, sondern mit vielen Hauptwörtern gebildet. Man könnte auch sagen, sie ist monoton. Es kann alles logisch mit dem Verstand erklärt und verstanden werden, emotional aber ist eine Blockade da; dies ist an der Sprache und an der Schrift zu erkennen. 

Das o. g. Muster des Machtausübens durch Dominanz über andere zeigt sich v. a. auch in der Sprache, z. B. indem ich alles immer besser weiß als der andere und den anderen gar nicht erst zur Sprache kommen lasse. Auch hier ist wieder die Angst verborgen, die Kontrolle zu verlieren.

 

Im Bereich der Beziehungen und Emotionen zeigt sich das darin, dass sie andere nicht in den Arm nehmen und berühren können, weil sie Angst haben, abgelehnt, nicht geliebt sondern beherrscht zu werden. Jede unvorhergesehene Berührung erzeugt Hochstress. Dahinter steckt eine Bindungsangst, also eine Angst mich zu vereinigen mit anderen. Diese Angst vor der Vereinigung mit dem Nächsten kommt von dem gespeicherten Trauma bei der geschlechtlichen Vereinigung und überträgt sich auch auf die Vereinigung mit Gott. Ich kann mich selbst nicht berühren lassen, umarmen lassen, weil ich Angst habe die Kontrolle zu verlieren. Die Betroffenen können deshalb keine Beziehungen und keine festen und emotionalen Freundschaften aufbauen, sie fühlen sich innerlich absolut alleine und im Verborgenen völlig verzweifelt. Sie suchen nach und nach Mittel und Wege, wie sie Anerkennung und Lob bekommen können, was bis in abnormale Praktiken ausarten kann. Auch genau das Gegenteil kann der Fall sein! Das bedeutet ein krampfhaftes Klammern an den Partner oder an Freunde aus Angst alleine zu sein, Angst verlassen zu werden und nicht geliebt zu sein. Dieses Klammern kann sich auch dadurch zeigen, dass sie sich jedem an den Hals werfen, obwohl es überhaupt nicht angebracht ist, einfach um diese ständige innere Angst sich zuerst vom anderen umarmen zu lassen gleich von sich aus zu überbrücken. Das Bedrohliche ist meist das Sich-Überlassen an andere. Deshalb ist der längere Aufenthalt in nächster Nähe von Menschen oft wie eine ständige Lebensbedrohung.

Ein wichtiger Punkt ist, dass die betroffenen Personen praktisch meisterhaft gelernt haben dem inneren Konflikt auszuweichen. Der ganze Mensch läuft praktisch auf einer Art "Notprogramm", um nicht die Kontrolle zu verlieren und bloß nicht entdeckt zu werden. Es scheint manchmal als würden zwei "Ich" in diesem Menschen wohnen. Er ändert sein Verhalten sofort, sobald auch nur der kleinste Reiz von ihm aufgenommen wird, der ihn an das innere Trauma erinnert. 

 

d) leibliche Ebene

 

Auf der leiblichen Ebene wirkt sich dieses Traum meist als Taubheit der Gefühle aus, z. B. nehmen eine extreme Schmerzunempfindlichkeit bei heißem Wasser. Ein zentraler Punkt ist das Bild der Haut. Die Haut ist die Projektionsfläche der Seele. Die Haut ist sozusagen die Ebene der Verbindung, der Beziehung, dort fühlen, berühren und vereinigen wir uns mit der Umwelt, mit den Menschen und mit uns selbst. Mit der Haut begreifen wir etwas und über die Haut verstehen wir auch. Neurodermitis, Schuppenflechte und andere schwere Hautkrankheiten können mit diesem seelischen Trauma in Zusammenhang stehen. Das die Haut unmittelbar die Veränderungen und Reifungen der Sexualität spiegelt, zeigt auch, dass häufig im Pubertätsalter die Akne auftritt. Die Haut zeigt diese Veränderungen, "Reinigungen und Reifungen" (Deus caritas est) sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht. Die innere Isolation kann bei der Haut ein Sich-Einhüllen bedeuten, eine Mauer aufbauen, sich abgrenzen. Neurodermitis kann aussagen: "Bleib weg von mir, berühre mich nicht, du tust mir weh!" Sehr häufig ist eine starke Selbstablehnung zu beobachten, v. a. im Bereich der Ernährung. Dies kann noch zu tiefgreifenderen Krankheiten führen wie Bulimie, Selbstschädigung (Aufritzen der Arme), Esssucht, Drogensucht, Alkoholismus usw. Sehr häufig ist eine Verschiebung der Wirbelsäule zu beobachten, eine Verkrümmung oder Stauchung. Besonders die Eingeweidefunktion (Magen, Darm) ist unmittelbar beeinträchtigt bei geistlichen Traumen. Sehr häufig treten z. B. auch Schielen oder schwere Augenleiden auf. Die Hüfte ist so gut wie immer direkt betroffen, weil dort der Sitz der Sexualorgane ist.

 

5. Wechselwirkungen

 

Die Blockade der Emotionen durch den seelischen Konflikt wirkt sich auf den Kraftfluss im ganzen Körper aus, so dass auch die Beweglichkeit der Zentrale, der Wirbelsäule blockiert ist, weil dort die Hauptsäule des Kraftflusses des Körpers ist. Dies kann weiter dazu führen, dass über die Wirbelsäule der Kraftfluss zu den Sehnerven blockiert ist und zunehmend die Augen schlechter werden, bis hin zur Blindheit. Der ganze Körper steht unter ständiger Anspannung, läuft ständig auf Hochtouren, wie ein "Fluchtprogramm". Das bedeutet auch, dass ständig Adrenalin ausgeschüttet wird und ständig Zucker abgebaut wird im Körper. Dies bewirkt, dass der Körper ständig Essen braucht, vor allem Süßes. Gerade Esssucht kann auf Dauer nur gelöst werden, wenn der innere Konflikt mit Hilfe von außen erkannt, angenommen und Schritt für Schritt aufgearbeitet wird im Gebet, Hl. Messe, Beichte usw. Die weitere Konsequenz ist natürlich dann, dass der Körper sich aufbläht und Übergewicht ist die Folge. 

 

Aus der Hagiotherapie wissen wir, dass der innere Konflikt, der beim Betroffenen auf der Ebene des Geistes gespeichert ist, zunächst auf das Unbewusste und von dort aus erst auf das Bewusstsein wirkt. Die bewusste Steuerung der Muskulatur und der Sinnesorgane unterliegt dem animalen Nervensystem. Die Steuerung der Eingeweidefunktionen (Verdauung) unterliegt dem autonomen Nervensystem . Die Eingeweidefunktionen sind unbewusst und deshalb wirken sich geistliche Traumata (vor allem im Bereich der Sexualität), die auf das Unbewusste der Psyche einwirken, so gut wie immer auch auf die Verdauung aus. So wie das Langzeitgedächtnis dem Unbewussten zuzuordnen ist und damit allen tief eingeprägten Lebenserfahrungen, so wirken sich Traumata, die nicht aufgearbeitet sind, unmittelbar auf die Verdauungsfunktion aus. Die geistigen Nahrung, die Langzeiterfahrungen oder tiefgreifende Erfahrungen (ob negativ oder positiv) werden im Unbewussten gelagert. Die leibliche Nahrung wird im Dünndarm gespalten und im Dickdarm wird der "Abfall" gespeichert. Das geistige krampfhafte Festhalten und Verdrängen des geistlichen Traumas führt dazu, dass auch auf unbewusster Ebene und damit im Darm alles festgehalten wird und nicht mehr abgeführt werden kann. Es entstehen Fäulnisstoffe und zerfressen den Darm von innen her. Oft ist das Horten von Gegenständen im Dachboden oder Keller auch das Bild von diesem Trauma in den Betroffenen. So wie sie geistig unbewusst festhalten, liegt es auch im Darm und im Keller. Solange also das geistliche Trauma nicht an die Oberfläche kommen kann, bleibt es auch im Darm liegen. Medizinische Eingriffe nützen hier vielleicht vorübergehend, aber heilen nicht die Wurzel des Problems. 

 

Was geschieht nun im Nervensystem durch dieses geistliche Traumata?

 

Der Sitz des Gefühlszentrums im Zentralen Nervensystem ist im Zwischenhirn und dort im "Limbischen System". Das Zwischenhirn verbindet das Kleinhirn mit dem Großhirn. Im Großhirn sitzen das Sprachzentrum und vor allem das Seh- und Hörvermögen, alle Sinnesempfindungen. Das Kleinhirn regelt u. a. die  Muskelspannung. Wenn im limbischen System dieses Trauma auf das Gefühlszentrum einwirkt, dann blockiert das Zwischenhirn als "Nahtstelle" zwischen Groß- und Kleinhirn sowohl die Sinnesempfindungen (Sehen, Hören, Sprache usw.) als auch die Muskelspannung und geordnete Bewegungen. Gleichzeitig wirkt das Trauma von der Ebene des Geistes auf das Unbewusste und damit auf das autonome Nervensystem. Dieses steuert und koordiniert die inneren Organe durch zwei "Gegenspieler", den Sympathikus und den Parasympathikus. Diese beiden Gegenspieler könnte man auch vom Kreuz her betrachten mit der rechten Seite des Kreuzes (aktiv - Sympathikus) und der linken Seite des Kreuzes (passiv - Parasympathikus). Auch GOTT ist die Gegensätzlichkeit in sich selbst, die Liebe (rechte Seite - "Kommet") und die Gerechtigkeit (linke Seite - "Weichet") und daraus wird immer wieder alles neu ("Es werde Licht"). Die beiden Gegenspieler sind wie ein Waagebalken des Unbewussten und der Eingeweidefunktion, aber auch des eigenen geistlichen Lebens, des harmonischen Ablaufs. Aktiv steht hier auch für die männliche Seite und passiv für die weibliche Seite. So wie Mann und Frau sich gegenseitig ergänzen und vereinigen sollen, so sollen auch Aktion und Ruhe unser Leben lenken, so wie GOTT in sich selbst aktiv ist und zugleich passiv und umgekehrt in ständigem "ewigem Liebesaustausch". 

Das geistliche Trauma, das auf das Unbewusste wirkt, aktiviert im autonomen Nervensystem den Sympathikus. Dieser mobilisiert den Blutkreislauf und alle daran beteiligten Organe für Angriff, Verteidigung und Flucht (s. o. Notprogramm). Zugleich wird die Eingeweidetätigkeit  und, was hier sehr wichtig ist, die Fortpflanzungsfähigkeit und Fruchtbarkeit, gehemmt!!! Wie oft denkt man bei Frauen, die keine Kinder bekommen können, darüber nach, ob sie als Ungeborenes nicht ein Trauma erlitten haben oder unter Missbrauch gezeugt wurden und dieses Trauma die Wurzel der Unfruchtbarkeit der Frau ist? 

Zudem werden vom Nebennierenmark ständig Noradrenalin und Adrenalin als Streßhormone ausgeschüttet um den Blutdruck und den Blutzucker zu erhöhen. Nicht selten leiden viele unter ständigem Bluthochdruck, vielleicht sogar schon Blutzucker wegen dem ständigen "geistigen Druck". Dieser "geistige Druck" kann sich unter anderem auch auf die kleinen Blutgefäße auswirken und diese z. B. in der Nase zum Platzen bringen, so dass sie ständig Nasenbluten haben. Die Betroffenen leben ständig unter Stress, den sie aber nicht unbedingt bewusst erleben. Die Personen merken meist nicht, dass sie traumatisiert sind und empfinden ihren Zustand als völlig "normal". Der ständige Stresszustand dieser Menschen hemmt die Eingeweidetätigkeit und der Gallenblase derart, dass sich Magen und Darm nicht entleeren können. Galle und Leber arbeiten nicht mehr richtig zusammen und es kommt zur Stoffwechselstörungen. Fette können nicht mehr richtig abgebaut werden und werden auf Grund der ständigen unbewussten Stresseinwirkung, hervorgehend vom Trauma auf der Ebene des Geistes, gehortet, sozusagen als "Notreserve". Dabei ist überhaupt keine bewusste Not da für die Menschen, sondern eine unbewusste! Der Unterschied zur Triebtheorie von S. Freud besteht hier vor allem darin, dass Tomislav Ivancic auf die Ebene des Geistes geht, an die kein Psychologe heran kann. Die Grundlage des Menschen ist das WORT selbst, das im Anfang bei GOTT war und GOTT selbst ist. Die Theologie ist Leib geworden und deshalb ist die Theologie immer die erste Grundlage von allem. Damit ist die Psychologie nicht schlecht, aber vollständige Heilungen von der "geistigen Wurzel" an ist nur möglich in CHRISTUS selbst, dem Erlöser. Die Auswirkungen in der Psyche, ob bewusst oder unbewusst, sind schon eine Folge, aber nicht die erste Ursache. Nur wenn wir die "Wurzel" finden, dann können auch alle anderen folgenden Ebenen mit dem Licht des Hl. Geistes von innen her durchdrungen werden. Das kann nur JESUS CHRISTUS und der ist nur in der römisch-katholischen Kirche in den Sakramenten wahrhaft gegenwärtig! 

 

Die Patienten erleben den ständigen inneren Konflikt im Leben als eine fortlaufende Bedrohung von innen und außen und können daher meist so gut wie nicht vertrauen. Sie suchen unbewusst einen Weg, wie sie diesem Konflikt auf personaler Ebene aus dem Weg gehen können und bauen sich daher ein "Schein-Leben" auf, dass so gut wie nicht mehr mit ihrer eigenen Person übereinstimmt. 

 

Das seelische Trauma wird als Wahrheit verdrängt und die Lüge als wahr angenommen, nur um dieser Erfahrung der Ohnmacht aus dem Weg zu gehen, die sog. Lebenslüge. Dieses Annehmen der Lüge mit dem "inneren Geheimnis", das niemand erfahren darf, ist dieses Notprogramm, was aber zur völligen inneren Isolation und Selbstentfremdung führt, derer sich die Betroffenen selbst aber nicht bewusst sind. Die Menschen leben praktisch nicht in Einheit mit ihrer Seele, sondern im Geiste ständig woanders, nur um nicht sich selbst ins Gesicht zu sehen, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Sie sind geistig nicht ihrem eigenen Leib und können diesen auch nicht annehmen. 

 

Die seelische Verdrängung der Wahrheit durchwirkt ebenfalls alle Ebenen bis zum Leib. Man kann sagen, über der Seele liegt eine Art Hülle, mit der man die Wahrheit zu verschleiern, zu verbergen sucht. Dieses Verdrängen der Wahrheit führt auch dazu, dass deren Gefühl ist, dass sie nicht fühlen dürfen. "Was nicht sein darf, das kann nicht sein", heißt es. Mann will die Wahrheit nicht anschauen, kurz gesagt man hat Angst davor, die Wahrheit zu erkennen. Gerade der sexuelle Missbrauch im Kindesalter oder vielleicht sogar schon als Säugling ist so tiefsitzend und verdrängt, dass er oft über Jahre, ja Jahrzehnte nicht erkannt wird. Besonders Lehrer und Erzieher sind hier zu besonderer Feinfühligkeit gegenüber den Kindern aufgerufen, besonders dann, wenn schwere Sprachprobleme oder Lernschwierigkeiten (wie ADS-Syndrom - Hyperaktivität) auftreten.

Wie wir oben gehört haben, ist die Erkenntnis des lebendigen Gottes der Weg zur Liebe. Die Erkenntnis des lebendigen Gottes bedeutet die Erkenntnis der Wahrheit, weil Gott die Wahrheit ist (Wort) und die Wahrheit ist die Liebe. Genau darin besteht der Zusammenhang. Erkenntnis bedeutet Vereinigung, die Vereinigung bringt die Wahrheit hervor, die Liebe. Diese Erkenntnis bring somit auch hervor, was nicht die Wahrheit ist und damit die schwere Verletzung der Sexualität. Im biblischen Sinne wird für die geschlechtliche Vereinigung von Mann und Frau "erkennen" verwendet. Dadurch, dass für mich die Erfahrung der Vereinigung im Leibe zur Erfahrung der Angst geworden ist, habe ich Angst vor dieser Vereinigung nicht nur auf leiblicher Ebene sondern auf allen Ebenen und somit Angst vor der Liebe selbst, vor Gott. Dort liegt die Wurzel der Berührungsängste, in der Seele des Menschen.

Dort ist auch die Wurzel der Konsequenzen der missbrauchten Liebe. Berührungsangst könnte man auch übersetzen mit "nicht erkennen wollen" und "sich nicht erkennen lassen wollen".

 

Als Beispiel: Sexueller Missbrauch bei der geschlechtlichen Vereinigung und Zeugung eines Kindes

 

   Mann---------unreine Liebe-------Frau                                                      VATER--- HL. GEIST-----SOHN

                                                                                                                                        (reine Liebe)            

Samenzelle - Verschmelzung - Eizelle  ==> leibliche Ebene

Seele          - Vereinigung      - Seele   ==> Ebene des Geistes                        ==> Ursprünglicher Plan

 

Die geschlechtliche Vereinigung durch Missbrauch zeugt das Kind. "Der Geist ist es, der das Leben schafft", sagt JESUS. Auf personaler Ebene vereinigen sich die Seele von Mann und Frau und auch ihre Psyche, ihre Gefühle und beides wird eins in der Zeugung der Seele des Kindes, die aus GOTT hervorgeht. Die Zeugung findet hier im "geistigen Ehebruch" statt, auch wenn Mann und Frau verheiratet sind, weil sie nicht lieben wie der Hl. Geist liebt, nämlich selbstlos. Die Genetik von Samenzelle und Eizelle verschmelzen zur Zygote und daraus bildet sich der Leib. Dieser Moment ist die Grundlage für den irdischen Tempel! Genauso vereint sich aber sozusagen auch die "geistige Genetik" der beiden Seelen, der Geist von Mann und Frau und dieser wirkt in der Seele des Kindes. Die völlige Ablehnung bei der Zeugung bewirkt, dass diese geistige Information im Geist gespeichert wird und damit die Grundlage für den Leib und die Psyche ist. Von dort her rührt die erste Wurzel der Selbstablehnung und deshalb kann von dieser Ebene her auch nur die Heilung erfolgen durch den der diesen Neuen Bund hier wieder hergestellt hat bei der 12. Station am Kreuz. Dort wird jede Ablehnung geheilt und JESUS selbst legt sich als Weizenkorn in diese Empfängnis und alles wird neu.   

 

6. DER WEG IN DIE FREIHEIT

 

Hierzu ein Wort um nun zu verstehen, wie wir aus diesem Teufelskreislauf herauskommen können:

 

"Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr in Wahrheit meine Jünger; ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen." (Joh 8, 31-32)

 

Unsere Seele ist das Abbild des ewigen Wortes, das Abbild Gottes. Erkennen heißt im biblischen Sinne Vereinigung. Diese Vereinigung gilt aber nicht nur für die geschlechtliche Ebene. Sie gilt für drei Ebenen entsprechend der Hl. Dreifaltigkeit, Gott selbst. Die geschlechtliche Vereinigung ist Abbild des "ewigen Liebesaustausches" (Theologie des Leibes) der Hl. Dreifaltigkeit. Gott ist in sich selbst eins. Gott ist die vollkommene Liebe, die Liebe selbst. Papst Benedikt XVI. beschreibt dies so: "Liebe ist nicht nur ein Gefühl ... das Ja unseres Willens zu seinem Willen einigt Verstand, Wille und Gefühl zum ganzheitlichen Akt der Liebe." Er bezeichnet dies als eine "Willensgemeinschaft in der Gemeinschaft des Denkens und Fühlens" (Deus caritas est).

 

Wir wissen, dass das Wort Fleisch geworden ist in Jesus Christus. Somit gilt dieses "Bleiben" auch für das Fleisch und Blut Christi, also die Hl. Eucharistie: "Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm." (Joh 6,56)

 

Wir wissen aber auch, dass Gott die Liebe ist und im Anfang war das Wort Gott selbst (vgl. Joh 1,1-2). Somit bedeutet dieses "Bleiben", welches uns die Wahrheit erkennen lässt auch die Liebe selbst:

"Bleibt in meiner Liebe" (Joh 15,9)

 

Auf der leiblichen Ebene bedeutet dieses Bleiben das "ein Fleisch" werden, welches Mann und Frau vollkommen eint. Wie wir wissen, besteht die menschliche Natur aus Leib und Seele. Dieses Einswerden, "Erkennen", vollzieht sich also mit Leib und Seele. Haben wir durch den Missbrauch der Liebe bei der geschlechtlichen Vereinigung ein inneres seelisches Trauma erfahren, so führt der Weg zur Freiheit durch den umgekehrten Vorgang, von der Seele zum Leib.

 

Die Heilung vollzieht sich also von innen heraus nach außen, eine innere Verwandlung von der Seele zum Leib und der Psyche. Dieser Weg ist oft ein belastender Leidensweg, den aber Jesus Christus schon vorausgegangen ist.  Damit "hat sich nicht nur die Erlösung durch das Leiden erfüllt, sondern das menschliche Leiden selbst ist dabei zugleich erlöst worden (salvifici doloris)."

 

Der Weg der Heilung ist der Weg der Erkenntnis der Liebe Gottes, weil wir diese Erkenntnis durch die Erbsünde im Herzen verloren haben. Es ist zugleich ein Weg des "Aufstiegs, der Reinigung und Reifung" (Deus caritas est). Jesus selbst ging diesen Weg des Aufstiegs auf Golgotha voraus. Er stieg mit dem Kreuz auf Golgotha und hat dort "das menschliche Leiden auf die Ebene der Erlösung gehoben (salvifici doloris)."

 

Jesus spricht im Evangelium (Lk 11, 52) vom Schlüssel der Erkenntnis, den die Pharisäer und Schriftgelehrten den Kleinen und Armen, besonders den Leidenden weggenommen haben. Der Schlüssel zur Erkenntnis ist das Kreuz, die Kreuzesliebe Christi. Wie wir oben bereits erwähnt haben ist von dort her zu definieren, "was Liebe ist".

Der Weg zur Liebe ist also ein aufsteigender Weg und ein Weg der inneren Reinigung, der Reinigung des Herzens. In uns wird wieder die Ordnung der Liebe aufgerichtet, die missbrauchte Liebe wird durch das Leiden Christi gereinigt. Der Weg zur Liebe führt also immer zunächst über das Leiden. Den Sinn des menschlichen Leidens offenbarte uns Gott durch seinen Sohn Jesus Christus. Das Kreuzopfer ist "Frage und Antwort zugleich", das fleischgewordene Wort, der Logos (salvifici doloris).

 

Der Plan Gottes ist also uns von innen her umzuformen, zu einem neuen Menschen zu machen, alle inneren Wunden zu heilen und diesen Weg zur erlösenden Kraft für den Nächsten zu machen. Das ist damit gemeint, dass das Leiden von der menschlichen Ebene auf die Ebene der Erlösung gehoben wurde in Christus. Das Leiden ist nicht nur eine sinnlose Frage, sondern es ist auch eine Antwort. Die "Antwort ist eine Berufung" (salvifici doloris).

 

7. DIE LIEBESGEMEINSCHAFT

 

Das letztendliche Ziel Gottes durch die Menschwerdung und Erlösung Christi ist, dass alles in Christus vereinigt wird.

Das ist das Geheimnis der Hl. Eucharistie. Papst Johannes Paul II. bezeichnet die Hl. Eucharistie als die "Seele des christlichen Lebens".

 

Wie wir erkannt haben, ist in unserer Seele durch den Missbrauch der Liebe bei der geschlechtlichen Vereinigung die Ordnung der Liebe schwer verwundet. Ich kann mich selbst nicht mehr hingeben und vertrauen, ja meine eigene Identität, mein Leben ist schwer verletzt. In der Hl. Eucharistie kehrt nun Jesus, wahrhaft gegenwärtig in den Gestalten von Brot und Wein, in den innersten Kern unseres ganzen Seins ein und stellt durch sein Fleisch und sein Blut die Ordnung von innen heraus wieder her. "Die Eucharistie zieht uns in den Hingabeakt Jesu hinein ... wir werden in die Dynamik seiner Hingabe hinein genommen (Deus caritas est)."

 

Der Schlüssel der Erkenntnis ist das Kreuz und damit auch die Hl. Eucharistie. Die Eucharistie ist die Vergegenwärtigung des Kreuzopfers von Golgotha und das "Ur-Bild" der Ehe, analog zur geschlechtlichen Vereinigung von Mann und Frau. Jesus hat Petrus die "Schlüssel des Himmelreiches" anvertraut mit der Binde- und Lösegewalt.

Das Sakrament der Hl. Beichte vergegenwärtig die Erlösungskraft Christi im innersten Kern unserer Seele und reinigt uns von allen Sünden und aller Unreinheit, es reißt die Wurzeln des Übels aus unserem Herzen. Es trennt alles "Nein" von unserer Seele ab und macht uns frei für die Vereinigung, dem vollkommenen "JA" in der Hl. Eucharistie. Die heilige, göttliche und reine Vereinigung der Hl. Eucharistie führt uns Schritt für Schritt in die Ordnung der Liebe Gottes zurück und heilt die Wunden des sexuellen Missbrauchs, der Ablehnung, der Gewalt von innen heraus. Diesen Vorgang kann man auch als die innere Auferstehung bezeichnen. Die Gewalt und der Missbrauch wurde von Jesus Christus dadurch besiegt, dass er sich selbst dieser Gewalt freiwillig auslieferte. Er hat durch seine Ohnmacht am Kreuz alle Macht dieser Welt entkräftet und unserem Leib durch die Auferstehung neues, göttliches Leben eingehaucht.

Durch seine Ohnmacht am Kreuz heilt er unsere Angst vor der Ohmacht der Hingabe an die Liebe. In ihm ist das Heil und unser Leben!

 

8. FAZIT

 

Man kann schwere Verletzungen im Bereich der Sexualität (sex. Missbrauch, Vergewaltigung, Inzest, Abtreibung) nicht einfach auf einer Ebene betrachten, sondern man muss das ganze Leben betrachten. Philippe Madre (Arzt und ständiger Diakon, seit 1975 Mitglieder der Gemeinschaft der Seligpreisungen, tätig im Predigt und Heilungsdienst) schreibt in seinem Buch, "Gott heilt ... auch heute", dass "der Begriff des menschlichen Lebens auf den der Gesundheit begrenzt" wird. Dies sei die Grundlage der "großen bio-ethischen Fragen der Menschheit". 

Das ist sehr gefährlich, weil man dann fragen müsste, wenn ein Mensch nicht mehr gesund ist, z. B. ein psychisch kranker Mensch, ob er noch ein Recht auf Leben hat. Der Begriff des Lebens ist weit mehr als Theologie, Biologie oder Psychologie allein. Mann muss das Wissen dieser Kategorien zum Dienst für das Leben nutzen. Die Mitte ist das fleischgewordene Wort Gottes, Jesus Christus. Die Theologie des Leibes ist eine Theologie des fleischgewordenen Lebens, weil das Wort das Leben selbst ist (vgl. Joh 1, 2-3). Gesundheit wird gerade im "Wellness"-Bereich  als das Wichtigste überhaupt betrachtet und dem Begriff des Lebens gleichgestellt. Wie wir aber aus dem apostolischen Schreiben von Papst Johannes Paul II. über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens (salvifici doloris) wissen, hat das Leiden noch eine viel tiefere Bedeutung, eine "moralische Ebene". Diese moralische Ebene ist ein "Schmerz der Seele" und berührt unser tiefstes Sein, unsere Existenz, unser Leben. Die oben geschilderten Verletzungen haben häufig auch eine "Lebensverletzung" zur Folge. Diese Lebensverletzung kann eben zum "Aufbau einer falschen Identität" (Philippe Madre) führen. Diese falsche Identität ist genau die unter Punkt 5. beschriebene "Lebenslüge", die unser ganzes Leben bestimmt. Diesen Bereich finden sie unter "Leben/Abtreibung".

 

"Der Mensch entwickelt sich nicht erst zum Menschen, sondern als Mensch (Prof. Dr. Blechschmidt, Embyologe)."

 

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