DIE FÜNF EDELSTEINE

 als Leiter zum Himmel 

I. Einführung

Was sind die fünf Edelsteine? Wenn sie bisher noch nie davon gehört haben und nach einem Weg suchen, der sie zielsicher auf dem Weg Gottes führt, dann sollten sie folgende Betrachtungen mit dem Herzen aufnehmen, dort erwägen (vgl. Lk. 2,19) und in vor allem praktisch in ihrem Leben umsetzen. Letztendlich ist die Tat das Entscheidende. "Jeder nun, der diese meine Worte hört und sie tut, wird gleich sein einem klugen Mann, der sein Haus auf Felsen baute ... es fiel nicht zusammen; denn auf Felsengrund war es gebaut (vgl. Mt. 7,24-25)."

So sind auch wir als "lebendige Steine" dazu berufen, zu einem "geistigen Haus" aufgebaut zu werden (vgl. 1. Petr. 2,5). Dieses Haus ist der Tempel Gottes, der letztendlich in der Einheit aller Menschen in Jesus Christus "ein Leib und ein Geist" werden soll. Das Fundament dieses Hauses muss also ein Felsen sein, damit der Tempel auf sicherem Boden steht. Auf dieser Basis wollen wir die fünf Edelsteine betrachten und dem Wort Jesu folgen:

"Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein. Denn wer von euch, der einen Turm bauen will, setzt nicht zuvor sich hin und berechnet die Kosten, ob er genug habe, um fertig zu bauen? Sonst könnte es sein, dass er den Grund gelegt hat und nicht imstande ist, fertig zu bauen... (Lk. 14,27-29)"

 

 

II. Die fünf Edelsteine

1. Das geistige Haus

Gott selbst baut mit allen Menschen als "lebendige Steine" dieses eine geistige Haus. Das bedeutet, dass auch für alle Seelen dieser Welt der eine Geist, der Hl. Geist gilt. Nur, wenn die Menschen aus einer Wahrheit und einem einzigen Fundament leben und alle auf dieses Fundament bauen, kann die ganze Menschheit zu einer Einheit werden. Dieses Fundament ist Jesus Christus, das Wort, der Logos. Jesus Christus ist das "lebendige Brot" (vgl. Joh. 6,51) und dieses Brot ließ sich für uns an beiden Händen und beiden Füßen ans Kreuz nageln. Dies sind die ersten vier Edelsteine: Gehorsam, Wahrheit, Einheit und Demut. Jesus ließ sich letztlich durch den Lanzenstich sein Hl. Herz öffnen, so dass dem Menschen der Weg zum Vater wieder geöffnet wurde. Der Lanzenstich öffnete nicht nur das Hl. Herz Jesus, sondern öffnete auch die Bedeutung des Wortes Gottes, weil er das Wort (Logos) ist. So ist es auch mit den fünf Edelsteinen. Sie sind wie Siegel, die wie ein Schlüssel die innere Bedeutung des Wortes Gottes erschließen. Diese Schlüssel öffnen die innere Türe zum Geheimnis Gottes. Diese Tür ist das Hl. Herz Jesu: "Ich bin die Tür zu den Schafen (Joh. 10,7b)." Wer diese Schlüssel aus dem Hl. Herzen Jesu nicht hat, der kann auch die Bedeutung des Wortes Gottes nicht erfassen. Die fünf Edelsteine lassen uns das Wort Gottes nicht nach dem Buchstaben des Gesetzes lesen (nur äußerlich), sondern sie führen uns in das innere Geheimnis, gleichsam das, was zwischen den Zeilen gesagt wird. "Denn der Buchstabe macht tot, der Geist aber lebendig (2. Kor. 3,6b)." Der Hl. Paulus sagt: "Offendaliegend, seid ihr ein Brief Christi, besorgt von uns, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes ... auf Tafeln menschlicher Herzen (vgl. 2. Kor. 3,3)." So erkennen wir mit diesem "Schlüssel der Erkenntnis" nicht nur das Geheimnis Gottes, sondern auch uns selbst und den Willen Gottes in unserem Leben. Diese fünf Edelsteine und zwei zusätzliche, nämlich der Glaube und das Gebet, sind also wie eine "geistige Landkarte", die uns sicher auf dem Weg der Nachfolge Christi führen. Sie sind die Anker und das Fundament des "schmalen Weges" zum "engen Tor" (vgl. Mt. 7,13-14). Wir sind von Gott geschaffen und kehren wieder zu ihm zurück. Wir sind also von Anbeginn in Christus erschaffen. "Er ist das Bild Gottes, des Unsichtbaren, Erstgeborener aller Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen...(vgl. Kol. 1,15)." So begann alles beim Wort und kehrt am Jüngsten Tag wieder dorthin zurück, denn "im Anfang war der Logos - das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort (Joh. 1,1)." So bauen auch alle Edelsteine auf diesem Wort Gottes auf und führen zu diesem fleischgewordenen Wort hin. Das Fundament des Wortes ist wie die Wurzel des Baumes. Ohne Wurzel kann kein Baum nach oben wachsen, er wird immer klein bleiben. Das gilt auch für das geistliche Leben und den Weg zu Gott. Wir können nur sicher und beständig nach oben wachsen, je mehr wir uns in die Tiefe verwurzeln. Diese tiefen Wurzeln sind die fünf Edelsteine.

Als Bildbetrachtung nehmen wir einen Tempel mit fünf Säulen, 4 Außensäulen und eine Mittelsäule. Diese fünf Säulen halten den "geistigen Bau". Wenn eine Säule zusammenbricht, dann hält der Tempel noch stand. Fallen jedoch zwei Säulen, dann kann der Tempel nicht mehr standhalten. Dies ist wiederum vergleichbar mit den fünf Heiligen Wunden Jesu. So werden wir zu jedem Edelstein (Säule) eine Wunde Jesu betrachten. Durch diese "Wunden sind wir geheilt". So werden auch wir auch durch die treue Befolgung der fünf Edelsteine (+ zwei) auf den Weg des Heils durch die Gnade Gottes geführt. Die fünf Wunden sind die "fünf Gerstenbrote", die uns Jesus als geistige Nahrung der Liebe für unsere Seelen gibt. Die Mittelsäule des Tempels ist die Hl. Seitenwunde, das geöffnete Herz Jesu, aus der letztlich alle Nahrung der Liebe fließt. So sind auch alle Edeltsteine ohne einen Edelstein ohne innere Kraft und wertlos: die Liebe. Die Liebe ist der fünfte Edelstein und verbindet sozusagen alle anderen zu einer Einheit, so wie das Hl. Herz Jesu den ganzen "mystischen Leib der Kirche", nährt und zu einer Einheit zusammenführen will. Wir beginnen die Betrachtung so, als wenn wir wie ein Maurer ein Haus bauen möchten. Die Ziegelsteine sind die einzelnen Menschen und der Mörtel zwischen den Steinen ist der Hl. Geist, der alles verbindet und zusammenhält. Der Architekt des Baus ist Gott Vater selbst und er will das Meisterwerk seines Sohnes in allen Menschen vollenden, so dass alle in seinem Sohn zu einer Sohnschaft, einer Kindschaft werden, die Gemeinschaft der Heiligen im Hl. Herzen Jesu zur Ehre Gottes des Vaters. Der ewige Bauplan der Liebe Gottes ist sein Sohn, Jesus Christus. Das Spiegelbild dieses einen Menschensohnes soll die Menschheit und die ganze Schöpfung sein. So ist die Hl. Kirche das lebendige Abbild der Familie Gottes (Hl. Dreifaltigkeit) auf Erden. Der geistige Bauplan Gott Vaters offenbart sich in Raum der Hl. Kirche. Dort ist sozusagen die "Kopie dieses Bauplanes", die Offenbarung des inneren Geheimnisses Gottes über den Leib der Kirche. Die Wirklichkeit Gottes in der Seele jedes Menschen offenbart sich über den Leib, sowohl in jedem fleischlichen Leib als auch in dem einen Leib der ganzen Schöpfung und der Hl. Kirche. Das Haus muss immer auf der Erde gebaut werden und der Baum kann sich nur in der Erde verwurzeln. So offenbarte Gott sich im ewigen Wort als erstes im "Heiligen Acker", nämlich dem reinsten Schoß und Unbefleckten Herzen Mariens. Gott beginnt also dort das Fundament zu legen, das Senfkorn in die Erde zu pflanzen, um den Sohn Gottes Fleisch werden zu lassen. Er gründet nach seine Kirche durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi auf den "Felsen Petri" als ersten Stellvertreter Jesu auf Erden und obersten Hirten der Hl. Kirche. Die Hl. Kirche hat die ewige Aufgabe der geistigen Mutterschaft, in der die ganze Menschheit in Christus zu einem Menschensohn vereint wird. So beginnt auch für uns der geistige Bau und die Betrachtung der fünf Edelsteine, mit der Menschwerdung des ewigen Wortes in Maria (liturgisch gefeiert am 25.03.), der Mutter der Kirche.

 

 

2. Erster Edelstein - Gehorsam - linke Fußwunde     ...in Guten wie in Schlechten Tagen! ... in Gesunden wie in Kranken Tagen! ... bis das der Tod uns scheide! Ja, ich will ...

 

Was ist eigentlich Gehorsam? Der Gehorsam geht aus dem vierten Gebot Gottes hervor. Demnach haben die Kinder dem Vater und der Mutter Ehre zu erweisen. Das gilt aber nicht nur für die leiblichen Eltern, sondern für alle, die in unserem Leben uns gegenüber eine Vater- bzw. Mutterrolle übernehmen. Dies gilt auch universal für das Lehramt der Kirche mit dem Hl. Vater und der Mutter Kirche. Die Hl. Kirche ist die Familie Gottes auf Erden. Alle Menschen sollen also nach dem Wort Jesu sich dem Lehramt der Kirche und den von Gott gegebenen Geboten unterwerfen.

Das Wort Gehorsam trägt in sich das Wort "hören". Hören und Gehorchen sind also nicht voneinander zu trennen. Die erste Haltung, die wir vor Gott einnehmen sollten, ist die Haltung des Hörens. Damit ist ein "aktives Zuhören" gemeint, nicht eine passive Trägheit! Diese Haltung des Hörens mit dem Herzen ist die Grundvoraussetzung, um das Wort Gottes überhaupt aufnehmen zu können. Jesus selbst lobt im Evangelium seine eigenen Mutter, weil sie diese Haltung genauso einhielt wie er selbst: "Ja, doch selig, die das Wort Gottes hören und es bewahren (Lk. 11,28)." Die erste Haltung ist also vor allem die Haltung des "Aufnehmens". Aufnehmen kann aber jemand nur, wenn er im Herzen aufnahmefähig wird. Diese Aufnahmefähigkeit für das Wort Gottes, die Anordnungen der Liebe Gottes, ist also in erster Linie eine innere demütige Haltung (zur Demut später). Die Hl. Therese v. Lisieux nennt dies eine fortwährende Herzensbereitschaft. Gehorchen beginnt also nicht erst bei den Äußerlichkeiten, sondern bereits im Herzen. So brach Eva als erstes den Heiligen Bund mit Gott durch den Ungehorsam im Herzen. Die nahm das Wort vom "Vater der Lüge" auf und bewahrte es in ihrem Herzen. Aus diesem inneren Bewahren folgte dann der Ungehorsam in der Tat. Taten beginnen immer in Gedanken, werden zu Worten und vollenden sich in der Tat. Der Ordenskatechismus lehrt, dass der Gehorsam nicht nur "bezüglich der äußeren Ausführung des Befehls, sondern auch bezüglich der inneren Gesinnung der Ehrfurcht und Fügsamkeit" gilt. "Ihr Sklaven, gehorcht in allem den irdischen Herren, nicht in Augendienerei, um Menschen zu gefallen, sondern in Einfalt des Herzens, in der Furcht des Herrn. Was ihr tut, das tut von Herzen als für den Herrn und nicht für Menschen (Kol. 3,22)." Der Gehorsam hat also einen inneren  und äußeren Aspekt. Selbst wenn der innere Ungehorsam vor den Menschen nicht sichtbar ist, Gott sieht alles, "denn nicht ist verhüllt, was nicht enthüllt, und nichts ist geheim, was nicht bekannt werden wird (Mt. 10,26)." Der Gehorsam gegenüber Gott beginnt schon bei den kleinsten Dingen. Hier trifft vor allem das Wort Jesu: "Wer treu ist im Geringsten, ist auch im Großen treu; und wer treulos ist im Geringsten, ist auch im Großen nicht treu (Lk. 16,10)." Wer gehorsam ist, gehorcht ohne zu hinterfragen. Er gehorcht, weil er das, was ihm von den ihm Vorgesetzten (Chef, Staat, Vater, Mutter, Prior, Beichtvater usw.) angeordnet wird, von ihm selbst im Glauben als eine Anordnung Gottes angesehen wird. Hier wäre als Beispiel die Geschwindigkeitsbegrenzung zu nennen. Eine Überschreitung bedeutet auch Ungehorsam gegenüber Gott, weil auch die Ordnung des Staates von Gott eingesetzt ist. Der wahre Gehorsam ist also ein blinder Gehorsam. Die Grenze des Gehorsams liegt dort, wo mir eine Aufgabe aufgetragen werden würde, die vor Gott offensichtlich eine Sünde ist. Zur Beurteilung dessen sind das Lehramt der Kirche und das Wort Gottes die Grundlage. Selbst wenn jemand "im heiligen Gehorsam" anordnen würde, dass wir Salatpflanzen kopfüber in die Erde pflanzen sollen, dann sollten wir es im Gehorsam tun, auch wenn es vom menschlichen Verstand her völliger Unsinn ist (diese Praxis wird heute eher selten angewandt). Dies gilt in besonderer Weise für die Ordensperson. Der Gehorsam ist der Weg um den geheimen, durch die Sünde eingepflanzten, Stolz in uns abzutöten. Der Gehorsam sorgt für die innere Abtötung unseres menschlichen Denkens und Wollens. Dadurch sollen wir uns in erster Linie dem Willen Gottes beugen. Selbst Jesus lernte durch seine Leiden den Gehorsam, obwohl er Gottes Sohn war. Er wird für alle, die ihm gehorchen, zum "Urheber des ewigen Heils" (vgl. Hebr. 5,8-9).

 

Die Erste, die diesen Gehorsam auf Erden in Vollendung gelebt hat, war Maria. Gott hat es gefallen, dass er die Menschwerdung seines Sohnes (Wortes) erst vollzieht, wenn er das vollkommene "JA" (Fiat mihi) von Maria eingeholt hat. Der Beginn der Erlösung in Jesus Christus war also von Anfang an an den Gehorsam Mariens geknüpft. Maria öffnete sich so weit für den Anruf Gottes in ihrer makellosen Reinheit, dass die Hl. Dreifaltigkeit selbst im Heiligen Geist in Maria Wohnung nahm und das ewige Wort Fleisch wurde zur Rettung und Erlösung der ganzen Menschheit. Der Hl. Pater Pio sagte, dass der Gehorsam die oberste Stufe der Leiter ist. Wenn diese bricht, dann brechen auch alle anderen Stufen hindurch. Darin liegt das häufigste Problem, leider oft auch von auserwählten Seelen (Propheten, Sehern usw.) der heutigen Zeit.

Maria unterwarf sich in allem freiwillig dem Willen des Vaters bis hin zum Kreuzestod, wo sie erneut ihr "Fiat mihi" sprach. Diese Haltung Mariens ist das Vorbild für jeden Menschen. Aber nicht nur dieses Fiat, sondern auch der Gehorsam Jesu. Im KKK (Nr. 532) steht geschrieben: "Mit dem Gehorsam Christi im Alltag des verborgenen Lebens begann schon die Wiederherstellung dessen, was der Ungehorsam Adams zerstört hatte."

Maria sühnt also durch ihren Gehorsam den Ungehorsam Evas und Jesus den Ungehorsam Adams. Die Erbsünde kam durch den Stolz, also der geistigen Erhebung gegenüber der Majestät und Liebe Gottes. Der Mensch verschloss sich der Liebe Gottes und wollte selbst weiser als Gott sein. Die Konsequenz war der ewige Tod. So hat Gott "alle zusammengeschlossen in Ungehorsam, um sich aller zu erbarmen (Röm. 11,32)." Dieser Zusammenschluss vollzog sich als erstes in Maria. Durch ihren vollkommenen Gehorsam konnte Gott in ihr wie in einem Meer alle Gnaden sammeln, die ein Mensch überhaupt empfangen konnte.

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Beweggrund unseres Gehorsams. Der Gehorsam muss immer ein Gehorsam aus Liebe sein, niemals aus Angst vor Strafe. Jesus ist nicht aus Angst am Kreuz gestorben, sondern aus freiwilliger Hingabe an seinen Vater. Gehorsam aus Angst vor Strafe ist ein unvollkommener Gehorsam und macht uns nicht wirklich frei. Der Gehorsam ist in erster Linie ein "Sich-Überlassen" in die Führung Gottes durch die Werkzeuge, die Gott an meine Seite stellt. Wenn der Ungehorsam eine Erhebung gegenüber dem Willen Gottes war, dann ist der Weg zur Freiheit und Liebe, das Beugen in den Willen Gottes. Meistens lässt Gott zu diesem Zweck viele Leiden über uns kommen, bis wir einsehen, dass er derjenige ist, der über uns verfügt uns uns erschaffen hat und nicht wir. Das Leiden kam letztlich durch den anfänglichen Stolz von Adam und Eva in die Welt. So hat es Gott gefallen, sich freiwillig zu verdemütigen und in allem Gott zu gehorchen, damit das Leiden nicht mehr zu Knechtschaft aus Angst vor der Strafe Gottes führt, sondern zur Freiheit der Kinder Gottes. Wir gehorchen dann nicht mehr nur äußerlich wie die Pharisäer, sondern es ist uns ein Herzensanliegen von innen her. Die Liebe durchdringt uns und wir erkennen, dass das die eigentliche Ordnung Gottes ist zu gehorchen. Zu gehorchen aus Angst, ich könnte etwas falsch machen, ist nicht der Gehorsam, den Gott uns schenken möchte. Im Gleichnis von der Rechenschaft über die Talente (Mt. 25ff) spricht Jesus dies ausdrücklich an. Wir sollen nicht so gehorchen, dass wir nur äußerlich unsere Talente verstecken und nur noch "mechanisch" nach gewissen Regeln funktionieren. Wir sind keine Roboter oder Marionetten im Gehorsam, sondern Zeugen der Liebe in der Freiheit der Kinder Gottes. Der eine Mann mit dem einen Talent hat dieses in der Erde (Seele) vergraben und abgewartet bis der König wiederkommt. Der König hat diesen "faulen Knecht" hinausgeworfen. Warum, weil es ein falscher Gehorsam war. Er hat zwar die Regeln befolgt, aber mit seinen Talenten nichts angefangen, entsprechend dem Willen Gottes. Der Gehorsam muss daher immer eine innere, "aufrichtige Selbsthingabe" (Theologie des Leibes) sein. Gehorsam ohne Hingabe und Weiterentwicklung in der Liebe zu Gott kann niemals der von Gott gegebenen Gehorsam sein und auch nicht der Heilige Geist. Gott gab dem Volk Israel die Zehn Gebote und viele Reinigungsvorschriften, denen sie gehorchen sollten. Diese Gebote waren sozusagen eine "Erziehung Gottes", die Pädagogik Gottes, um den Menschen zur Liebe zu führen.

 

Das letzte Ziel ist aber immer die Liebe, wo Jesus sagt: "Wenn ihr meine Gebote haltet, bleibt ihr in meiner Liebe, so wie auch ich meines Vaters Gebote gehalten habe und in seiner Liebe bleibe (Joh. 15,10)."

Die Zehn Gebote, Ordensregeln, Hausordnung usw., sind dann nicht mehr ein Zwang von außen, sondern Hingabe aus Liebe von innen her. So spricht Jesus: "Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt; wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben (näheres beim 5. Edelstein)." Dieses neue Gebot ist aber kein neues Gebot, sondern die Vollendung und Erfüllung der Zehn Gebote in einem Gebot, der Gottes- und Nächstenliebe. Diese menschliche Liebe war nämlich am Anfang gehorsam und reinste Hingabe seiner selbst. Der Mensch wird also durch den Gehorsam zuguterletzt wieder dort hingeführt, wo er am Anfang war; zur wahren und reinen Liebe.

Wenn der Gehorsam uns nicht zu dieser Liebe führt, sondern zur Verschlossenheit und Angst, dann ist es ein falscher Gehorsam, der meistens aus einer unreinen, inneren Haltung des Stolzes kommt. Das sind die Mauern, die sich der Mensch während des Lebens als Schutz aufbaut, um vor der wahren Liebe zu fliehen, damit die Wahrheit im Herzen nicht ans Tageslicht kommt. Gehorsam und Liebe sind untrennbar miteinander verbunden in Christus. Die Liebe Gottes ist immer gehorsam, weil diese Liebe, der Hl. Geist, die Ordnung Gottes selbst ist. Die Ordnung Gottes kann in sich niemals ungehorsam sein. Dies sollte sich jeder Mensch zu Herzen nehmen, ob in der Familie, im Beruf oder im geistlichen Stand. Der Neue Bund begann mit der Ordnung des Gehorsams. Überall dort, wo diese Ordnung des Gehorsams nicht gelebt wird, können auch die anderen Edelsteine nicht mehr passen. Wer nicht im Gehorsam ist, kann niemals im Heiligen Geist und in der Wahrheit sein. Ungehorsam bedeutet automatisch Stolz. Das Vorbild für diesen Gehorsam sollte besonders ein Wort sein: "Der Sohn vermag aus sich selber nicht zu tun, was er nicht den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut auch der Sohn in gleicher Weise (Joh. 5,19a)."

Jesus ist nicht gekommen, seinen Willen zu tun, sondern den Willen des Vaters (vgl. Joh. 6,38). Der Gehorsam dient vor allem dazu, dass wir aus unserer Blindheit gegenüber uns selbst heraustreten können. Wir sollen dadurch in eine "Willensgemeinschaft des Denkens und Fühlens" (Deus caritas est) mit dem Willen Gottes geführt werden. Jede Seele muss, wenn sie Jesus wirklich nachfolgen will, sich früher oder später im Gehorsam von anderen leiten lassen, weil der Feind alle Mittel anwendet um uns vorzugaukeln, dass wir gehorsam sind, obwohl es ständiger Eigenwille ist. Die Grundhaltung des Gehorsams ist die des Kindes, das Kindsein. Kindsein bedeutet, sich vom Vater und von der Mutter an die Hand nehmen zu lassen und das zu tun, was sie uns auftragen, ohne zu hinterfragen und es besser wissen zu wollen; nicht mehr und nicht weniger (auch gutgemeinter Eifer ist oft Ungehorsam und ungeordnetes Streben!). Das Kindsein bedeutet auch, in allem Gott die Ehre zu geben und nicht sich selbst zu suchen. Damit sind wir beim zweiten Edelstein angelangt: der Wahrheit

 

3. Zweiter Edelstein - Wahrheit - linke Handwunde

Pilatus fragte Jesus: "Was ist Wahrheit?" (Joh. 18,38)

Das ist eine gute Frage. Jesus gibt selbst die Antwort. "Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit (Joh. 17,17)." Die Wahrheit ist das Licht, dass in uns aufleuchtet, wenn wir denn die Wahrheit leben. "Jeder nämlich, der Schlechtes tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Werke nicht offenkundig werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit an seinen Werken offenkundig werde, dass sie in Gott getan sind (Joh. 3,20-21)."

Das Wort "Wahrhaftigkeit" trägt in sich das Wort Wahrheit und geht aus diesem hervor. Wahrhaftigkeit bedeutet, dass das was ich sage 100 % übereinstimmt mit dem, was ich tue. Wort und Tat müssen also eine Einheit sein. "Doch die Weisheit wurde gerechtfertigt aus ihren Werken (Mt. 11,19b)!" Papst Benedikt betonte in der Predigt an die Jugend zum Weltjugendtreffen in den Diözesen vom 09.04.2006, dass das "Programm" der Jugendlichen sein muss, das dem Wort Gottes zu gehorchen in der Tat. Wir sollen also das Wort hören und es in die Tat umsetzen. Wir erinnern uns an die Einleitung mit dem Haus auf Felsen. Auf Felsen baut jemand eben nur, wenn er das Gehörte auch tut. Die Werke sollen also das offenbaren, was wir verkünden und gelernt haben. Die Wahrheit muss also immer in der Tat sichtbar werden, in der tätigen Hingabe an den Nächsten. Grundlage ist hier wieder das Wort Gottes. In der Wahrheit zu bleiben, ohne im Wort Gottes zu bleiben, ist unmöglich. "Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr in Wahrheit meine Jünger; ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen (Joh. 8,32)." Zu betonen ist, dass hiermit die ganze Wahrheit gemeint ist, d. h. die Vulgata.

In der Wahrheit bleiben gilt also hier dreifach. Das Wort Gottes, das "Brot Gottes" und die Liebe Gottes. Im Wort Gottes zu bleiben bedeutet auch in der Liebe Gottes und in seinem Willen zu bleiben, nicht in unserem. Diese Liebe ist immer die Kreuzesliebe und der Eigenliebe genau entgegengesetzt. Die Wahrheit können wir essen im Fleisch und Blut Christi als "wahrer Trank" und "wahre Speise" (vgl. Joh. 6,55).

Wort Gottes, Eucharistie (Sakramente) und das Kreuz sind also die Grundsäulen der Wahrheit. Wenn auch nur ein Teil fehlt, dann sind wir eben nicht in der Wahrheit.

 

Der nächste Punkt ist Maria als die Mutter der Wahrheit. Die Wahrheit kam im ewigen Wort zuerst in das Herz und in den Schoß Mariens. Sie ist also die erste, die die Wahrheit in Fülle empfangen hat. Sie ist die erste Erlöste. Ihr wurde bereits bei ihrer Empfängnis im Schoße der Mutter Anna die Taufgnade geschenkt. Gott hat sie zur Mutter der Wahrheit erwählt. Der Hl. Geist ergoss sich in seiner Fülle als erstes in Maria bei der Menschwerdung des ewigen Wortes. Das Wort ist die Wahrheit und auch das "lebendige Brot". Dieses lebendige Brot hat Maria im Fleisch in ihr selbst genährt und geboren. Die gleiche Aufgabe ist ihr von Jesus selbst als geistige Mutter übergeben worden. Diese Aufgabe übt Maria in der Hl. Kirche aus. Die Wahrheit kann also niemals ohne Maria in seiner ganzen Fülle erkannt werden. Ja, es ist sogar unmöglich, ohne Maria das Geheimnis der Kirche in seiner ganzen Tiefe zu begreifen, weil die Kirche eine Mutter ist. Wer die Mutter Jesu als Mutter Gottes ausschließt, kann niemals in der Wahrheit sein. Zur Wahrheit gehören also in erster Linie die Glaubensdogmen der Hl. Kirche als unwiderrufliche Säulen und "Lichter auf dem Glaubensweg" (KKK, Nr 89). Diese Dogmen sind:

Maria, Unbefleckte Empfängnis, immer Jungfrau, Mutter Gottes.

 

Lt. KKK gibt es "eine Ordnung oder ,Hierarchie' der Wahrheiten der katholischen Lehre, da ihr Zusammenhang mit dem Fundament des christlichen Glaubens verschieden ist." (KKK, Nr. 90)

Gott hat also in Jesus Christus die ganze Fülle der Wahrheit, nämlich sich selbst endgültig offenbart. Alle weiteren Privatoffenbarungen sollen geprüft werden und dienen letztlich zum tieferen Verständnis der in Christus offenbarten Wahrheit. Die beiden Grundwahrheiten des christlichen Glaubens sind das Geheimnis des Dreifaltigen Gottes und die Menschwerdung des Sohnes Gottes. Diese beiden Grundwahrheiten werden durch das Lehramt der Kirche weitergegeben. "Das Lehramt steht also nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nur lehrt, was überliefert ist...(KKK, Nr. 86)." Die Hl. Kirche gibt also die Grundwahrheiten durch das Wort Gottes und die apostolischen und kirchlichen Überlieferungen weiter. Die Glaubensdogmen sind Grundwahrheiten, sie "erhellen und sichern" den Glaubensweg. "Umgekehrt werden durch ein rechtes Leben unser Verstand und unser Herz geöffnet, um das Licht der Glaubensdogmen aufzunehmen (KKK, Nr. 89)."

 

Der letzte, wichtige Punkt ist die innere, wahrhafte Absicht. "Wenn jemand bestrebt ist, seinen Willen zu tun, wird er erkennen, ob die Lehre von Gott ist oder ob ich aus mir selbst rede. Wer aus sich selbst redet, der sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, der ist wahr und keine Trug ist in ihm (Joh. 7,16-18)."

Wir sollen in unserem Herzen immer den Willen Gottes suchen und ihn auch tun. Der Wille Gottes war es, die Hl. Kirche auf dem Felsen Petri zu gründen. Den Willen Gottes zu suchen und diese Wahrheit ausklammern, kann niemals zur Wahrheit führen. Um die Wahrheit wirklich in der Hl. Schrift und im Lehramt der Kirche erkennen zu können, braucht es vor allem die Bereitschaft, sich diese Wahrheit offenbaren zu lassen, also Demut. Die Wahrheit kann man auch nicht selbst ergreifen, sondern wir sollen uns sie schenken lassen. "Wer das Gottesreich nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen (Lk. 18,17)." Das Gottesreich ist die Wahrheit und diese sollen wir wie ein Kind annehmen. Diese Haltung gilt für alle fünf Edelsteine. Gott will uns immer beschenken und überall dort wo ich mich nicht beschenken lassen will, bin ich auch nicht in der Wahrheit. Gott will uns die Wahrheit erkennen lassen, deshalb kam er ja in die Welt. "Das aber ist das ewige Leben, dass sie dich erkennen, den allein wahren Gott und den du gesandt hast, Jesus Christus (Joh. 17,3)."

Der Mensch hat die Erkenntnis der Wahrheit verloren durch den Stolz. Die Unreinheit des Herzens lässt den Menschen das Geheimnis Gottes in uns nicht mehr schauen. Was muss also der Weg der Wahrheit sein? Die Reinheit des Herzens und vor allem auch die Reinheit des Leibes. Wer die Wahrheit erkennen will, aber im Leibe sich nicht bemüht rein zu leben (6. Gebot), der kann die Wahrheit nicht erkennen. Der Mensch wurde durch die Sünde im Herzen verunreinigt und die Konsequenz war die geschlechtliche Vereinigung in der Lüge. So wurden nicht mehr Kinder des Lichtes gezeugt, sondern Kinder der Finsternis. Der Weg zur Wahrheit beginnt also vor allem in der Bereitschaft auf die Reinheit zu achten. Je mehr wir uns bemühen die Reinheit zu leben, umso mehr wird uns Gott in die Wahrheit einführen. Er braucht nur unsere Bereitschaft. Von Anfang an die Lehre der Kirche oder den Papst abzulehnen ist keine Herzensbereitschaft, sondern Egoismus und Stolz. Wer wirklich erkennen will, der lässt sich auf Gott und den Hl. Geist wie ein Kind ein. Wahrheit heißt eben, keinen Trug im Herzen zu haben, keine Unreinheit des Herzens. "Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen (Mt. 5,8)." Selig, die sich um diese Herzensreinheit bemühen, also in allem Gott die Ehre zu geben, denn sie werden die Wahrheit erkennen. Wenn wir das Wort "Wahrnehmung" betrachten, dann erkennen wir, dass zwei Wörter darin enthalten sind, Wahrheit und Annahme. Was wir wahr-nehmen, das glauben wir und was wir glauben, das sind wir. Wenn der Gehorsam unseren Stolz beugen soll und uns aufnahmefähig für die Wahrheit machen soll (als 1. Stufe), dann sollen wir als Nächstes diese Wahrheit (Wort) vor allem als ein Geschenk annehmen und "im Herzen bewahren". Das "Bleiben in der Wahrheit" ist das Entscheidende. Die meisten Menschen wenden sich zu schnell wieder vom Wort Gottes ab, weil es scheinbar Unstimmigkeiten gibt, die aber nicht vorhanden sind. Die Beständigkeit und Ausdauer, die Wahrheit wirklich erkennen zu wollen ist entscheidend. Allzu schnell suchen wir wieder den bequemen Weg und Ausflüchte, weil das Licht der Wahrheit alles in uns aufdecken würde, was natürlich anfänglich auch mit Schmerzen verbunden ist. Es braucht auch in gewisser Weise Mut, die Wahrheit annehmen zu wollen. Dazu muss ich mir aber vor Gott fest vornehmen, dass ich nicht mehr die Ehre von Menschen suche und mich selbst ehren will, sondern, dass ich mich mit allen Kräften bemühen will, Gott die Ehre zu geben (1. Gebot). Dann wird sich Gott offenbaren, wenn wir stetig kleiner werden und ärmer. Der "Schlüssel" zur Erkenntnis der Wahrheit ist vor allem die Armut. "Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein (Lk. 12,34)." Wir sollen alles loslassen, was uns hindert die Wahrheit zu erkennen und unser Herz verschließt. Dazu gehören jegliche negativen Informationen aus Medien, Presse, Literatur usw. Der Weg geht dahin, sich für mindestens einen Monat von jeglichen Zeitschriften, Broschüren, Filmen, Videos usw. fernzuhalten und nur das Wort Gottes zu lesen. Das ist der beste Weg, weil wir anfangs oft nicht unterscheiden können, ob etwas gut und wahr ist oder eine Lüge. Nach der Betrachtung der Hl. Schrift und der  Gewissenserforschung nutzen wir die Hl. Beichte und gehen regelmäßig in die Hl. Messe. Wenn wir so vorgehen und unserer Seele die Chance geben in geistiger Weise Luft zu holen, aufhören, ständig im "Geiste zu essen", dann kann Gott uns seine Wahrheit offenbaren. Dieser Weg ist ein Weg des "täglichen Sterbens" in unserem Herzen. Wir müssen uns selbst sterben, sonst bleiben wir allein. Alles was wir bisher durch unser Studium, Ausbildung und v. a. der Lebenserfahrung gelernt haben, sollen wir im Herzen an Jesus durch Maria abgeben und prüfen lassen. Was gut ist, wird er uns veredelt wieder zurückgeben. Was schlecht ist, wird er durch sein Wort aufzeigen und uns in der Hl. Beichte davon befreien, wenn wir es denn zulassen! Der Mensch ist von Anfang an zur Gemeinschaft berufen. Diese Gemeinschaft ist nur möglich, wenn es eine Grundwahrheit gibt, die für alle Menschen gilt und das ist eben Jesus Christus selbst. Der Blick auf die geöffnete Seitenwunde Jesu muss unser "zentraler Blick" sein für jegliche Suche nach der Wahrheit! So können wir fortfahren mit dem dritten Edelstein: der Einheit

 

4. Dritter Edelstein - Einheit - rechte Handwunde

 

Wie ist für den Menschen beständige Einheit und Frieden möglich? Als erstes soll jeder Christ die von Gott gegebene Ordnung beachten. Einheit bedeutet also in erster Linie die Ordnung Gottes einhalten, womit wir wieder beim ersten Edelstein wären, dem Gehorsam. Die Einheit betrifft als erstes Gott selbst. Die Hl. Kirche ist die Familie Gottes auf Erden. Die Hl. Kirche soll also zur selben Einheit geführt werden, wie die Hl. Dreifaltigkeit in sich selber ist: "Nicht für sie alleine bitte ich dich, sondern auch für jene, die durch ihr Wort an mich glauben, damit sie alle eins seien wie, Vater, in mir und ich in dir, dass sie eins seien in uns, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast (Joh. 17,20-21)."

Ein entscheidender Aspekt, den Jesus hier hervorhebt ist, dass der Glaube an sein Wort die Menschen zur Einheit führt (dazu später). Die drei göttlichen Tugenden sind der von Gott in der Taufe eingegossene Gnadenkeim, der die Christen dazu befähigt in der Einheit zu leben. Eine grundlegende Bedingung für die Einheit ist, dass man sich selbst zurücknimmt und bereit ist zu Opfern zum Wohle aller. Nur wer bereit ist nicht nur in seinem eigenen, engen Horizont zu denken und zu handeln, sondern seinen Blick auf die Familie Gottes lenkt, kann einheitlich denken. Sonst bleibt letztlich unsere Handeln ohne Frucht. "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viele Frucht (vgl. Joh. 12,24-25)."

Das eigene, geistige Sterben führt letztlich zur Einheit. Das war auch der Auftrag des Sohnes Gottes, "dass Jesus sterben werde für das Volk, und nicht für das Volk allein, sondern auch, um die zerstreuten Kinder Gottes zur Einheit zusammenzuführen (vgl. Joh. 11,51b-52)." Die Grundlage zur Einheit muss also sein, in allem den Willen Gottes zu suchen, das Wohl aller und nicht seinen eigenen Vorteil. Besonders in der Familie, in den Ordensgemeinschaften, Pfarreien, in Staat und Gesellschaft und in der universalen Kirche, muss dies das Fundament allen Handelns sein. Einheit schafft eine Atmosphäre der Geborgenheit und Sicherheit, in der besonders Kinder und Jugendliche zu starken Persönlichkeiten heranwachsen können. Wir sollen unser Leben nicht für uns selbst leben, sondern für Gott. Unser Blick soll sich allezeit auf den Gekreuzigten richten, auf sein geöffnetes Herz. Der die Einheit letztlich schafft, ist der Heilige Geist, weil in ihm der Vater und der Sohn ist. Er verbindet die erste und die zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit und beide Personen wohnen in ihm. Dieses Geheimnis hat Christus in der Hl. Kirche verewigt: "Ich habe die Herrlichkeit, die du mir gabst, ihnen gegeben, damit sie eins seien, wie wir eins sind: ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen seien in Einheit und die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast (Joh. 17,22-23)."

Der erste wichtige Punkt war der Glaube. Daraus geht hervor die Hoffnung auf das ewige Heil, v. a. das kindliche Vertrauen und das Bemühen um das Wohl aller, für die Einheit aller. Dieses Bemühen darf nie aufhören, weil es das letzte Ziel Gottes ist, dass alle Menschen ein Leib und ein Geist werden in Christus. Jesus drückt in o. g. Wort einen dritten wichtigen Punkt aus; die Welt soll an der Liebe der Hl. Kirche erkennen, dass Gott Vater uns so liebt, wie er Christus geliebt hat. Wir kehren somit wieder zurück zum Blick auf das Kreuz. Dort wurde der Neue Bund geschlossen im Blut Christi. Dieser Neue Bund ist auch die neue Einheit in Christus und von dort her ist auch nur eine wahre Einheit möglich. Wir sollen lieben wie Christus uns geliebt hat. Diese Kreuzesliebe führt uns letztlich in die Einheit Gottes, in das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit. Die Einheit mit Gott muss also immer die Einheit mit seiner Liebe sein. Aus dieser göttlichen Tugend der Liebe leben auch der Glaube und die Hoffnung. So sind Glaube und Hoffnung durch die Liebe miteinander verbunden. Einheit beginnt dort, wo wir nicht mehr nach dem Äußeren urteilen, sondern in der Liebe Christi auf Gott in den Menschen schauen und dort die Hl. Dreifaltigkeit anbeten. "Urteilt nicht nach dem Äußeren, sondern nach Gerechtigkeit fällt eurer Urteil (Joh. 7,24)!"

Nach Gerechtigkeit das Urteil zu fällen bedeutet: "Ich vermag nichts zu tun aus mir selbst; so wie ich höre, richte ich, und mein Gericht ist gerecht; denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat (Joh. 5,30)." Der dritte Edelstein bedeutet zunächst die Einheit mit Gott, mit der von Gott gegebenen Ordnung der Hl. Dreifaltigkeit. Zu dieser Einheit gehört natürlich auch Maria. Sie ist die Tochter des Vaters, die Mutter des Sohnes Gottes, die Braut des Heiligen Geistes. In ihr begann die Wiederherstellung der Einheit, der Neue Bund. In ihr wurden alle Gnaden gesammelt. Diese Aufgabe hat Gott in der Hl. Kirche verewigt. Im Schoß der Hl. Kirche werden die zerstreuten Kinder Gottes gesammelt und zur Einheit geführt. Die Haltung Mariens ist also wieder unser Vorbild für die Einheit. Sie hat sich in allem zurückgenommen und Gott wirken lassen. Sie hat ihr Leben "hingegeben" um in dieser Hingabe mit Christus alle zur Einheit zu führen. Durch das "Element der Besitzergreifung" kam die Trennung, der "Ur-Ehebruch". Durch das "Element der Hingabe" wurde die Einheit durch Jesus und Maria wieder hergestellt. Dies gilt auch für uns, wenn wir in der Einheit Gottes leben wollen, Hingabe des Herzens und nicht mit dem Verstand, durch Rationalismus weiser sein wollen als Gott selbst!

 

Die Einheit betrifft zweitens die römisch-katholische Kirche, mit dem Heiligen Vater, namentlich Papst Benedikt XVI. und dem Lehramt der Kirche. Wir können in der Heiligen Schrift ganz klar erkennen, wem Christus selbst das oberste Hirtenamt übergeben hat, Petrus (vgl. Mt. 16, 18-19). Er wird als erstes von Jesus zur Nachfolge berufen und er ist wieder derjenige, der nach der Auferstehung Jesu das Netz mit den 153 Fischen einholt. Das Netz ist das Bild für das Reich Gottes. Petrus holt also am Ende, am Jüngsten Tag in Stellvertretung Gottes, das Netz der Heiligen Kirche ein. Einheit bedeutet, dass die Gläubigen zu einem Netzwerk der Liebe vereint werden. Dieses Netzwerk wird gelenkt vom Haupt der Kirche, nämlich dem Heiligen Vaters, dem Felsen Petri. So wie der Leib vom Haupt gelenkt wird und nicht umgekehrt, so gilt das auch für jeden einzelnen Menschen. Wir sollen uns nicht unsere eigene Weisheit zimmern und die Gebote und das Lehramt der Kirche in Frage stellen, sondern im Glauben an das Wort Christi es annehmen wie kleine Kinder. Der Unglaube, z. B. an die Unfehlbarkeit des Papstes, kommt in erster Linie daher, weil wir zu menschlich schauen und nicht mit dem inneren Blick des Glaubens. Wir wollen lieber alles selbst erst einmal in Frage stellen, was uns der Hl. Vater lehrt, weil er ja auch nur ein Mensch ist. Das ist richtig. Aber der Hl. Geist ist Gott selbst und der Hl. Geist selbst hat im Auftrag des Vaters seinem Sohn Jesus Christus auf seine Frage hin offenbart, wer der oberste Hirte der von ihm gegründeten Hl. Kirche sein soll:

"Da sprach er zu ihnen: ,Ihr aber, für wen haltet ihr mich?' Simon Petrus antwortete: ;Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes (Mt. 16,15-16).'"

Wenn wir diese Offenbarung der Wahrheit nicht annehmen und dem Heiligen Vater nicht folgen, dann lehnen wir nicht einen Menschen ab, sondern Gott selbst! Selbst wenn der Heilige Vater einen Fehler machen würde, hat nicht dann Gott selbst die Verantwortung in der Kirche und nicht wir? Darin liegt genau unser Problem, wir vertrauen viel zu wenig, wir wollen uns sozusagen nicht auf Glatteis begeben. Wir wollen eher menschliche Anker und Sicherungen haben, die uns aber letztens davon abhalten uns ganz zu Christum emporzuschwingen. Unser Blick soll sich auf den Heiligen Geist richten, der die Kirche lenkt und durch den Hl. Vater als Werkzeug wirkt. Meistens sind es Vorurteile, die wir in uns tragen oder persönliche Meinungen, die uns daran hindern uns für die ganze Wahrheit zu öffnen, nicht nur für einen kleinen Teil. Einheit mit der Kirche kann deshalb nur vollkommene Einheit und Treue mit dem Papst sein und dem von ihm geleiteten und weitergegebenem Lehramt. Wir wollen viel zu oft selbst Haupt sein, anstatt unseren Platz in der Kirche einzunehmen, der uns von Gott zugeordnet wurde. Wir dürfen uns nicht von dem Hochmut verführen lassen, dass wir das Ruder jetzt selbst in die Hand nehmen müssen um Gott selbst zu belehren. Wir sollen alle wieder wie Kinder werden, die unbekümmert, froh, rein und heilig miteinander für das Wohl der ganzen Kirche eintreten. So ist es möglich das wir eine Herde mit einem Hirten werden. Die Herde kann aber nur eine Herde werden, wenn sie den einen Hirten annehmen. Die eine Herde soll sich ganz dem einen Hirten hingeben. Damit ist Jesus Christus selbst gemeint, in Stellvertretung durch den Heiligen Vater. Der eine Hirte soll ebenfalls sein Leben hingeben für seine Herde, so wie Braut und Bräutigam sich selbst ganz hingeben sollen um "ein Fleisch" zu werden. Dieses "ein Fleischwerden" ist nur möglich durch das Sterben des Eigenwillens, der Eigenliebe, des Egoismus und der Machtanspruches. Diese "aufrichtige Selbsthingabe" überwindet letztlich die sündhaften Strukturen des Beherrschen-Wollens und führen uns zum gegenseitigen Dienen in Ehrfurcht vor Christus. Das sollte die innere Gesinnung sein: "Wenn nun ich eure Füße gewaschen habe, als der Herr und als der Meister, dann sollt auch ihr einander die Füße waschen. Denn ein Beispiel gab ich euch, damit so, wie ich euch tat, auch ihr tut ...Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr, und ein Gesandter ist nicht größer als der, der ihn gesandt hat. Wenn ihr das wisst, so seid ihr selig, wenn ihr so tut (Joh. 13,14-17)."

Papst Benedikt XVI. schreibt: "Dieses rechte Dienen macht den Helfenden demütig (Deus caritas est)."

Wir sind hiermit beim vierten Edelstein angelangt: der Demut

 

 

5. Vierter Edelstein - Demut - rechte Fußwunde

 

Demut bedeutet "sich beharrlich in Anbetracht der unendlichen Größe Gottes und der eigenen Armseligkeit" gering achten. "Die Demut gehört zur Kardinaltugend der Mäßigkeit, weil sie den Ehr- und Selbständigkeitstrieb des Menschen mäßigt." (Ordenskatechismus)

Demut heißt im Lateinischen "humilitas". In diesem Wort ist das Wort "Humus", also Erde, enthalten. Das ist auch das Bild für die Demut, die Wurzel des Baumes. Je demütiger eine Seele wird, um so tiefer verwurzelt wird sie in der Liebe und um so höher kann der "Baum des Lebens" nach oben wachsen und viele Frucht bringen. Demut heißt auch "Mut zum Dienen" zu haben. Es gibt viele verschiedene Aspekte der Demut, die uns davon abhalten das Wort Gottes zu verstehen, meistens ist es die eitle Ehrliebe, die sich oft so schlau unserer ganzen Persönlichkeit angepasst hat, dass wir es selbst nicht einmal bemerken, ja sogar glauben, das wäre sehr fromm. Unser Haltung für all unser Denken, Reden und tun sollte diese sein: "Was fragst du mich über das Gute? Einer ist der Gute, Gott (Mt. 19,17)." Der Mensch neigt aufgrund den Folgen der Erbsünde dazu, dass er unabhängig, frei und selbständig sein will. Er will eigene Wege gehen und sich nicht unterordnen. Die Natur des Menschen will sich auch nicht unterordnen, sie will aus sich selbst handeln. Die Demut wirkt genau diesem Selbständigkeitstrieb und dem Eigenwillen entgegen. Das Vorbild für die Demut gaben uns Jesus und Maria selbst. Jesus "wählte den letzten Platz in der Welt" (Deus caritas est) und starb für uns am Kreuz. Die Tugendübung der Demut gibt uns Jesus als absolute Grundlage für das Wachsen im geistigen Leben und den Empfang der göttlichen Gnaden: "Der Größte unter euch soll euer Diener sein. Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden (Mt. 23,11)." In der Litanei von der christlichen Demut beten wir z. B.: vom Wunsch geliebt zu werden, befreie mich (eitle Ehrliebe), von der Furcht zurückgewiesen zu werden (Ängstlichkeit) befreie mich, usw.

Je mehr wir in der Demut voranschreiten, desto mehr werden wir auch im Glauben voranschreiten und umgekehrt. Nur den Kleinen, Armen und Demütigen wird Gott sein Geheimnis im Wort offenbaren. Demut bedeutet immer mit dem Herzen demütig zu sein, nicht nur durch äußerliche Taten, dass ich z. B. mich hinten anstelle. Das ist ohne Wert, wenn nicht auch das Herz demütig ist. Der Stolz beginnt im Herzen, wenn ich mich in Gedanken gegenüber meinen Eltern, Vorgesetzen, Oberen usw. erhebe und damit gegenüber Gott. Die Demut zu leben, bedeutet schließlich die Torheit des Kreuzes zu leben. Die Pharisäer und Schriftgelehrten erachteten sich selbst schon für weise, weil sie die Schriften studiert haben und sie kennen. Sie unterrichteten das Volk aus den Schriften, taten es aber nicht. Sie bekannten also mit den Lippen die Wahrheit, im Herzen aber trugen sie Arglist und Heuchelei. Der Heilige Geist flieht diese Arglist und geheuchelte Liebe. Die Demut offenbart sich vor allem im Reden und im Verhalten gegenüber den Nächsten. Wir sollten nicht nur zu auserwählten Personen demütig sein, sondern vor allem bei denen, die uns schmähen und verfolgen, zu allen Menschen. Dieses Beispiel gab uns Jesus und das ist eben die Torheit des Kreuzes. Gott wollte den Menschen nicht dadurch belehren, dass er seine Allmacht ausspielt und die Menschen unterdrückt und ihnen zeigt, wer der Chef im Haus ist, sondern er gab sich selbst hin und lebte uns das Beispiel der Demut und Liebe vor. So wurden die Pharisäer durch die Torheit des Kreuzes beschämt. Jesus hat das, was er verkündet hat auch in der Tat als wahr bestätigt. Darin liegt die wahre Demut. Die Gedanken, Worte und Werke müssen eine Einheit sein. Wenn die Worte nicht das aussagen, was wir tun oder wenn unsere Taten überhaupt nicht übereinstimmen mit unseren Worten, dann ist es keine Tugend, sondern Verblendung und Stolz. Das tägliche Gebet um die Tugend der Demut (Litanei) sollte für jeden Christen verpflichtend sein, weil es eine so wichtige Tugend ist. Mut zum Dienen zu haben, bedeutet vor allem den Mut zu haben, vor Gott meine Schwäche und Armseligkeit anzuerkennen. Solange wir an unserer eigenen Kraft und Stärke festhalten, kann die Kraft Christi nicht auf uns herabkommen. Gerade in der Schwachheit kann Gott am Besten wirken: "Es genügt dir meine Gnade; denn die Kraft kommt in der Schwachheit zur Vollendung (2. Kor. 12,9)."

Eine falsche Demut wäre es, nach außen als schwach und hilflos zu erscheinen, im Inneren aber sind wir angefüllt mit Stolz und vertrauen lieber auf unsere eigene Stärke als auf Gott. Eine wahre Demut geht immer einher mit der zunehmenden Fähigkeit der Kommunikation und Beziehungsfähigkeit. Je demütiger ein Mensch wird, desto fähiger wird er für das Leben in der Gemeinschaft. Ein demütiger Mensch wird dadurch erst wahrhaftig und menschlich, weil er ein Dienender wird. In dieser "königlichen Würde" des Dienens liegt gerade die Größe des Menschen. Erst wenn der Mensch bereit ist, mit ganzem Herzen, aus seiner ganzen Kraft, aus ganzer Seele, ein Diener der Menschen zu sein, wird er sich selbst vollkommen finden. Wir kommen also zum Schluss immer wieder auf einen Punkt, die "aufrichtige Selbsthingabe". Nur wenn wir als "Person im Wort anwesend" sind (Deus caritas est), also etwas von uns selbst geben und nicht nur etwas nachsagen oder von anderen kopieren, dann können wir von wahrer Demut sprechen.

 

Die Demut kann dabei in drei Stufen eingeteilt werden. Die Demut beginnt dabei sich selbst gering zu achten in Gedanken, Worten und Werken (Anfänger). Die zweite Stufe besteht darin, geduldig zu bleiben, wenn andere uns gering achten (Fortgeschrittener). Die dritte Stufe und damit die Stufe der Vollkommenheit äußert sich darin, dass wir Demütigungen mit Freuden ertragen und danach verlangen. In jeder Tugend brauchen wir immer die Hilfe des Heiligen Geistes, weil wir aus uns selbst nichts tun können. Unsere Aufgabe ist immer das Kindsein und unsere Herzensbereitschaft uns von Gott beschenken zu lassen. Dann kann Gott seine Gnaden in unser Herz eingießen.

Die Konsequenz der Erbsünde war, dass der Mann über die Frau herrschen sollte. In Jesus und Maria wurden Mann und Frau davon erlöst. Maria sprach: "Siehe, ich bin eine Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort (Lk. 1,38)."

Jesus als Haupt der Kirche spricht zu uns: "Und wer unter euch der Erste sein will, der sei der Knecht aller. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösepreis für viele (Mk. 10,45)."

Das Herrschen und Beherrschen-Wollen wurde also in Christus erlöst. Wir sollen genau diese Strukturen überwinden und uns bemühen einander zu dienen und uns nicht gegenseitig zu unterdrücken, zu kontrollieren und gegenseitig den Weg zu versperren. Jesus hat uns nicht kontrolliert, sondern hat sich selbst als Speise und Opfer uns überlassen. Wir sollen keine Machthaber sein und uns über andere stellen, sondern ihnen durch unsere eigene Demut und unseren Dienst der Liebe ein Vorbild geben. "Er wird sich von dem Hochmut befreien, selbst und aus Eigenem die nötige Verbesserung der Welt zustande bringen zu müssen. Er wird in Demut das tun, was ihm möglich ist und in Demut das andere dem Herrn überlassen. Gott regiert die Welt, nicht wir (Deus caritas est)." Dieses Vorbild wird sie dann die Wahrheit erkennen lassen. "Daran werde alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe habt untereinander (Joh. 13,35)."

Die Liebe ist schließlich die Quelle und die Kraft für alle Edelsteine und Tugenden. Aus dieser "Quelle des Lebens" lebt der Mensch und wird selbst zum Werkzeug der Liebe für andere. So haben wir die vier Außensäulen des geistigen Hauses aufgebaut, das Fundament steht und jetzt gehen wir in das Zentrum des Tempels, des mystischen Leibes der Kirche, dem Hl. Herzen Jesu und folglich zum fünften Edelstein: die Liebe

 

 

6. Fünfter Edelstein - Liebe - Geöffnetes Hl. Herz Jesu

 

Hier wollen wir uns als Vorbild das Hohelied der Liebe (1. Kor 13ff) nehmen. "In seinem Hymnus auf die Liebe lehrt uns der heilige Paulus, dass die Liebe immer mehr ist als bloße Aktion: "Wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts (V.3). Dieser Hymnus muss die Magna Charta allen kirchlichen Dienens sein (Deus caritas est)."

Mit dieser Liebe meint der Hl. Paulus die Liebe, mit der Christus seine Kirche liebt, mit der er uns erlöst hat. Diese Liebe ist zugleich die Liebe des Vaters zu Christus und damit auch zu uns. "Wie mich der Vater liebte, so liebte ich auch euch (Joh. 15,9). Der Schlüssel für alle Tugenden muss diese Liebe sein. Diese Liebe hat drei zentrale Wesensmerkmale. 1. Die Kreuzesliebe (starkmütige Liebe) 2. Die marianische Liebe (kindliche Liebe) 3. Die eucharistische Liebe (sicher verschenkende/dienende Liebe)

Darin sind zusammengefasst das Kreuz (Nachfolge Christi), die Marienweihe (Goldenes Buch) und das Wort und Sakrament (Hl. Schrift, Lehramt, Eucharistie). Somit läuft am Ende alles wie in einem Brunnen in der Mitte des geistigen Hauses zusammen. In diesen Brunnen sollen wir uns wie beim Brunnen von Bethesda (vgl. Joh. 5,1-9) eintauchen lassen. Dieser Brunnen ist das Hl. Herz Jesu, aber auch das Unbefleckte Herz Mariens und das Herz des Vaters. Die wahre Liebe kann nur unter den o. g. Wesensmerkmalen die wahre Liebe sein. Ohne Kreuz oder ohne Maria oder ohne Eucharistie ist unsere Liebe und unsere Erkenntnis der Liebe nicht die, wie Gott sie uns schenken möchte. Die Liebe Gottes ist radikal, sie geht aufs Ganze, sie will 100 % geben und nicht nur einen Teil. So hat sich auch Christus mit beiden Händen und Füßen ans Kreuz heften und sich sogar sein Hl. Herz für uns öffnen lassen. Er ist auf dem begonnen Kreuzweg nicht umgekehrt, sondern ging bis zur vollkommenen Hingabe, bis zum Tod am Kreuz. Hier vollendet sich der Gehorsam Jesu, den bereits im Hause Nazareth seiner Mutter Maria und dem Hl. Josef als Nährvater entgegenbrachte. Gott ist immer die Liebe und nicht nur einen Augenblick. Das "Bleiben" in der Liebe ist das, was wir leben sollen: "Bleibt in meiner Liebe (Joh. 15,9)."

 

Das Bleiben in dieser Liebe bedeutet wiederum, dass wir in seinem Wort und in seinem Sakrament bleiben. "Bleibt in mir und bleiben meine Worte in euch, dann bittet, um was ihr wollt, und es wird euch zuteil werden (Joh. 15,7)." Auch beim Betrachten des Wortes Gottes ist dieses "Bleiben im Wort" das Ausschlaggebende, die Ausdauer und Beharrlichkeit. Wir dürfen nicht voreilig aufgeben, sondern wir sollen uns in geistiger Weise durchbeißen, nach dem Vorbild Jesu in seiner Passion. Weiter ist von zentraler Bedeutung der regelmäßige Empfang der Hl. Kommunion um zu dieser Liebe zu gelangen. Der Mensch kann von sich aus diese Liebe Christi nicht leben, weil er geprägt ist von der Erbsünde und absolut erlösungsbedürftig ist. Die Liebe Christi reinigt uns von der Eigenliebe, besonders durch das Sakrament der Hl. Beichte und die Hl. Eucharistie. Die Hl. Eucharistie ist das "Brot der Liebe". "Die Eucharistie zieht uns in den Hingabeakt Jesu hinein. Wir empfangen nicht nur statisch den inkarnierten Logos, sondern werden in die Dynamik seiner Hingabe hinein genommen ... Eucharistie, die nicht praktisches Liebeshandeln wird, ist in sich selbst fragmentiert ... (Deus caritas est)."

Die Liebe wahre Liebe sucht also nicht sich selbst und bewegt sich um das eigene Ego, sondern ist absichtslos. Sie liebt einfach, weil Gott die Liebe ist. Unsere Liebe soll also vom Eigenwillen hin zur Hingabe gereinigt werden. "Die Kommunion zieht mich aus mir heraus zu ihm (Christus) hin und damit zugleich in die Einheit mit allen Christen (Deus caritas est)." Wir können, wenn wir die Liebe Christi leben wollen nicht für uns allein da sein.

 

Das Gleiche gilt auch für die Hl. Eucharistie. "Ich kann Christus nicht allein für mich haben, ich kann ihm zugehören nur in der Gemeinschaft mit allen, die die Seinigen geworden sind oder werden sollen (Deus caritas est)." Gott hat den Menschen zur Gemeinschaft der Liebe erschaffen, nicht zum Egoisten. Papst Benedikt XVI. beschreibt ausdrücklich, dass Gottes- und Nächstenliebe niemals voneinander zu trennen sind. So wie ich Gott liebe, so liebe ich meinen Nächsten. Umgekehrt spiegelt die Liebe zu meinem Nächsten die Wahrheit über meinen Herzenszustand und der Beziehung zu Gott wieder. Die wahre Liebe führt immer in die Freiheit, niemals zur Verschlossenheit. Hier stellt sich die Frage, wer mein Nächster eigentlich ist. Papst Benedikt XVI. beschreibt dies anhand des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter. "Der Begriff ,Nächster' wird universalisiert und bleibt doch konkret ... Jeder der mich braucht und dem ich helfen kann, ist mein Nächster." Dazu gehört also, dass die Zeit für die Herzensanliegen des Menschen im Auftrag Gottes immer den materiellen und organisatorischen Dingen vorgehen muss. Die Pharisäer waren erzürnt über Jesus, weil er am Sabbat einen "ganzen Menschen gemacht" hat (vgl. Joh. 7,23). Die Pharisäer schauten nur auf die äußere Befolgung der Regeln und Gesetze, vergaßen aber dabei die Liebe. Diese Art der Einhaltung der Gesetze und Regeln, der Gebote ist nur ein "toter Mechanismus". Genau das will Gott nicht. Wir sollen mit dem Herzen denken, reden und handeln. Wir sollen Zeugen der Liebe werden und die Liebe steht über allem. "Nicht nur von Brot lebt der Mensch (Mt. 4,4)." Die Liebe ist "nicht bloß Gefühl". Die Liebe ist viel mehr. "Zur Reife der Liebe gehört es, dass sie alle Kräfte des Menschseins einbezieht, den Menschen sozusagen in seiner Ganzheit integriert ... Das Ja unseres Willens zu seinem Willen einigt Verstand, Wille und Gefühl zum ganzheitlichen Akt der Liebe."

 

Wir sollen bereit sein, Christus alles zu geben und uns ihm zu überlassen. Christus braucht nicht unsere Werke, sondern unser Herz, uns selbst. In dem Maß wie wir dazu bereit sind, wir er sich uns offenbaren. So werden wir auch lernen das Wort Gottes zu verstehen. Die tätige Nächstenliebe ist der wesentliche Punkt. Wir sollen uns von Christus aus unserer Egozentrik und unserem Egoismus befreien lassen und durch ihn zum Nächsten hinziehen lassen. "Je mehr einer für die anderen wirkt, desto mehr wird er das Wort Christi verstehen und sich zueignen: ,Unnütze Knechte sind wir' (Lk. 17,10)."

Alle Edelsteine haben letztlich den einen Sinn, wir sollen zu Liebe werden und für unsere Nächsten da sein. Solange sich der Mensch noch um sich selbst bewegt, kann er das Wort Gottes nicht verstehen, weil dies nur durch die "aufrichtige Selbsthingabe" zu verstehen ist. Alle Gleichnisse Jesu tragen diesen Wesenskern in sich, dass Gott die Liebe ist und sich radikal, rückhaltlos an uns verschenken will.

Genau darin besteht der wichtigste Punkt, dass wir nicht glauben, wir könnten Gott etwas von uns aus schenken, sondern dass er uns zuerst geliebt hat (vgl. 1. Joh. 4,9-10). Wir sollen uns zuerst von Gott lieben lassen und dann werden auch wir fähig andere zu lieben. Der ständige Aktivismus und der Glaube, wir könnten Gott von uns aus etwas schenken, macht uns träge und stolz. "Unterstrichen wird die unlösliche Verschränkung von Gottes- und Nächstenliebe. Beide gehören so zusammen, dass die Behauptung der Gottesliebe zur Lüge wird, wenn der Mensch sich dem Nächsten verschließt oder gar ihn hasst." Daraus folgt, "dass die Abwendung vom Nächsten auch für Gott blind macht."

Gerade darin liegt der Grund, warum wir das Wort Gottes nicht verstehen. Wenn sich der Mensch vom Nächsten abwendet und sich verschließt, dann wendet er sich von Gott ab und damit auch vom Wort, dass im Anfang Gott selbst war und ist. Durch diese Haltung ist es folglich unmöglich das Wort Gottes mit dem Herzen zu verstehen, weil wir eine Mauer aufgebaut haben. Diese Mauer gegenüber dem Nächsten verhindert, dass die Liebe, der Hl. Geist im Wort selbst, in unser Herz eindringen kann und uns verändern kann. Das Gleiche gilt auch für die Worte, die Gott durch die Menschen sprechen lässt.

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir aufhören schlecht über andere Menschen zu denken und zu reden.

"Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit dem Urteil, mit dem ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit dem Maß, mit dem ihr messet, wird euch gemessen werden ... Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, und dann sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest! (Mt. 7,1-2;5)." Die Reinigung des Herzens beginnt bereits hier, dass wir aufhören bei den anderen anzufangen, sondern, dass wir zuerst bei uns mit der Gewissenserforschung beginnen. Dann werden wir schnell bemerken, dass wir bei all unserer Sündhaftigkeit und Armseligkeit überhaupt keine Zeit mehr haben über andere zu reden oder sie zu verurteilen. Wenn wir aus unserer menschlichen Sicht und Eigenliebe heraus unseren Nächsten anschauen, dann sehen wir nur die äußeren Fehler. Schauen wir aber mit dem barmherzigen Blick Jesu auf das Abbild Gottes und suchen Jesus selbst in jedem Menschen, dann werden wir barmherzig. Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter gibt uns Gott das beste Beispiel, wie wir uns gegenüber unseren Nächsten verhalten sollen und vor allem, wer unsere Nächster ist, nämlich jeder, der irgendwie meine Hilfe braucht und mir von Gott an die Seite gestellt wird. Wir sollen mit der Liebe Christi lieben. Diese Liebe können wir am einfachsten leben, wenn wir durch Maria lieben. Indem wir uns ihrem Unbefleckten Herzen weihen, wird sie uns von unserer Eigenliebe loslösen. Aus uns selbst können wir uns nicht vollkommen loslösen, weil wir oft durch die Täuschungen des Teufels verblendet werden. Maria kann nicht getäuscht werden, weil sie vollkommen rein ist und die Aufgabe hat, diese reine Liebe von Gott her den Seelen zu vermitteln und sie wieder zu Jesus Christus zurückzuführen. Der Hl. Ludwig Maria Grignion v. Montfort schreibt, dass wir durch die Weihe an Maria die vollkommene Nächstenliebe üben, weil wir ihr alle unsere Verdienste, Genugtuungen, alle guten Werke, Bußübungen, Gebete, Almosen usw. schenken. Sie verwendet es dann zur größeren Ehre Gottes, weil sie nur eine Antwort kennt: GOTT

Die Mutter der Barmherzigkeit wird uns die barmherzige Kreuzesliebe Jesu lehren und uns Schritt für Schritt umwandeln. Barmherzigkeit ist das Gegenteil von Richten und Gerechtigkeit. Unser Vorbild sollte immer der Gekreuzigte sein, der aus Mitleid mit der großen Not der Menschheit die ganze Gerechtigkeit, die die Welt verdient hätte gegen sich selbst gewendet hat und uns daraus die Barmherzigkeit erwirkt hat. Christus will lieber für jeden Menschen sterben, als dass er auch nur einer einzigen Seele die Liebe verweigern würde. Allezeit sollten wir den Herrn so vor Augen und in unserem Herzen tragen und selbst zum "lebendigen Brot" werden für die Menschen. Um das Wort Gottes zu verstehen, sollen wir selbst in unserem Herzen lernen und hinzugeben. Nur durch Hingabe kann das Wort Gottes aufgeschlüsselt werden, niemals aus Eigennutz oder weil wir etwas besser wissen wollen. Der Beweggrund allen Handelns muss die reine, absichtslose Liebe sein. Wir sollen gar nichts mehr wollen und andere bemängeln, sondern uns selbst für die Menschen als Diener zur Verfügung stellen. Beschenken lassen und Geschenk für andere werden ist der Schlüssel um in die Tiefe des Wortes Gottes einzugehen und darin zu verharren!

 

 

7. Edelstein des Glaubens

 

Was heißt Glaube? "Ohne ihn gesehen zu haben, liebt ihr ihn; ohne ihn jetzt zu schauen, glaubt ihr an ihn (1. Petr. 1,8)." Glauben heißt etwas als wahr anzunehmen, ohne es vorher zu erforschen und selbst zu wissen. Man kann auch "blinder Glaube" dazu sagen. Hier ist wieder die Haltung des Kindes gefragt, d. h. kindliches Vertrauen. Wir sollen nicht auf die Menschen schauen und den Menschen dienen, sondern wir sollen Gott in den Menschen dienen in der Einfalt des Herzens. Der Hl. Thomas glaubte zunächst auch nicht, dass Christus auferstanden ist. Er wollte zuerst den Finger in seine Seitenwunde legen, um zu glauben. Christus sagte daraufhin zu ihm: "Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt; selig, die nicht sehen und doch glauben (Joh. 20,29)."

Der reine Glaube verlässt sich auch nicht auf Gefühle, sondern glaubt einfach, weil Gott diese Worte spricht und er die Wahrheit ist. Diesen reinen Glauben vermittelt uns wiederum Maria, den kindlichen Glauben. Kleine Kinder haben einen lebendigen Glauben, sie fragen nicht nach, ob das jetzt tatsächlich stimmt, sondern sie nehmen die Wahrheit kindlich an. Glaubenswunden entstehen durch die Enttäuschungen im Leben. Dies ist aber keineswegs die Schuld Gottes, sondern der Menschen. Der Mensch hat sich durch die Erbsünde von Gott abgewendet und damit vom kindlichen Glauben. Die Schlange verführte Eva, sie müsse selbst nach ihrem Glück greifen. Dahinter steckt die Aussage, "Gott liebt dich nicht, du musst dich selbst um dein Glück kümmern". Genau das ist der Grund, warum wir uns so schwer tun zu glauben, weil wir Angst haben vor dem Ungewissen. Wir wollen uns absichern und lieber selbst entscheiden, statt Gott wirken zu lassen. Christus lehrt uns aber genau das Gegenteil, wir sollen werden wie die Kinder um in das Himmelreich eingehen zu können. Glauben heißt auch, die Wahrheit anzunehmen. Um die Wahrheit von Gott annehmen zu können, muss die Lüge aus unserem Herzen ausgerissen werden. Jesus sagt: "Wie vermögt ihr zu glauben, die ihr Ehre annehmt voneinander und die Ehre von Gott allein nicht sucht (Joh 5,44)." Wenn wir Ehre, Lob, Anerkennung usw. von den Menschen annehmen, dann können wir nicht glauben, weil unsere Herzensabsicht unrein ist. Glauben heißt, sein Herz an Gott hinzugeben, sich selbst zu verschenken. Wir können nicht glauben, wenn wir eine Hälfte unseres Herzens Gott schenken, die andere aber für uns selbst behalten wollen. Was dem Glauben am meisten entgegensteht ist die Vernunft und die Wissenschaft. Unser Verstand will alles rational erklären und beweisen. Der Glaubende macht sich klein und demütig und empfängt die Wahrheit wie ein Kind, weil sie Gott so offenbart hat. Der Glaube ist letztlich ein Geschenk von Gott. "Niemand kann zu mir kommen, wen ihn der Vater, der mich sandte, nicht zieht ... Jeder, der es vom Vater vernommen und gelernt hat, kommt zu mir ... Wer glaubt hat ewiges Leben (Joh. 6,43;45;47)."

 

Christus braucht unsere Herzensbereitschaft und Offenheit für die Wahrheit. Wenn wir im Vorhinein schon alles in Frage stellen und unsere eigenen Ansichten und unser Misstrauen nicht loslassen, dann kann Gott uns seine Wahrheit nicht offenbaren. Die Einfachheit und Einfalt des Herzens ist hier von grundlegender Bedeutung. Nicht durch viele kluge Worte und durch Studium des Verstandes oder durch zahlreiche Bücher werden wir den Glauben finden, sondern durch die Hingabe unseres Herzens. Der Glaube ist das "Werk Gottes" von dem Jesus spricht (vgl. Joh. 6,29). Gott braucht nicht unsere Werke allein, sondern in erster Linie den Glauben, unsere Herzenshingabe.

"Wenn du mit deinem Munde bekennst: ,Herr Jesus' und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten erweckte, wirst du das Heil empfangen. Denn aus dem Herzen kommt der Glaube, der zur Gerechtigkeit führt, und aus dem Munde das Bekenntnis zum Heile (Röm. 10,9-10)."

Es kommt also wieder auf die Einheit von Worten, Werken und unserer Herzensgesinnung an. "Was aber aus dem Munde herausgeht, das kommt aus dem Herzen, und das verunreinigt den Menschen (Mt. 15,18)."

Alle Heilungen, die Christus vollbrachte an den Menschen, konnten nur deshalb geschehen, weil Jesus glaubte (sich selbst hingab) und weil die einzelnen Menschen glaubten (ihr Herz hingaben). Das der Glaube die Grundbedingung für die Erkenntnis der Liebe Gottes und für die Entschlüsselung des Wortes Gottes ist, zeigt sich, als Jesus in nach Nazareth kommt. Die Menschen dort tragen Vorurteile in ihrem Herzen und nehmen Anstoß an ihm (vgl. Mk. 6,3). "Und er konnte dort keine Wunder wirken, nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Er wunderte sich über ihren Unglauben und zog durch die Dörfer ringsum und lehrte (Mk. 6,5)."

Wir können aber auch ein anderes Beispiel lesen, dass sozusagen ein Vorbild davon ist, wie wir glauben sollen; der Hauptmann von Kapharnaum: Er spricht zu Jesus: "Deshalb hielt ich mich selbst auch nicht für würdig, zu dir zu kommen; doch sprich nur ein Wort, und mein Knecht wird gesund. Denn auch ich habe, bin ich auch ein der Obrigkeit unterstellter Mann, Soldaten unter mir, und sage ich zum einen: Geh!, so geht er, und zum andern: Komm!, so kommt er, und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er es ... Jesus sprach zur Menge: Ich sage euch: Nicht einmal in Israel fand ich einen so großen Glauben!"

Der Hauptmann demütigt sich zuerst vor Jesus. Er ist aber nicht ängstlich und misstrauisch, sondern traut Jesus alles zu. Spricht er auch nur ein Wort, so ist schon geschehen, was er gesagt hat. Dieser Glaube ist für uns alle ein Vorbild. Wir sollen das Wort Gottes so annehmen wie ein Kind. Warum wie ein Kind? Ein Kind ist noch nicht belastet mit eigenen Einstellungen, Meinungen, den falschen Grundsätzen der Welt, Vorurteilen usw. Ganz einfach gesagt, ein Kind ist rein! Es geht wieder um das reine Herz. Um Glauben zu können müssen wir zuerst alles loslassen, was wir bisher gelernt haben und uns Gott wie ein Kind überlassen. Wir dürfen nicht mehr auf unser eigenes, sündhaftes Urteil vertrauen, sondern nur noch auf die Gnade Gottes. Der Glaube ist nicht von der Haltung der Armut im Geiste, also der eigenen Schwachheit zu trennen. Je schwächer wir werden, desto stärker kann Gott in uns wirken. Der "Herzensglaube" ist die Mitte des Evangeliums, nicht das Äußere. Alle Worte Jesu vom Glauben weisen zuguterletzt auf einen Aspekt hin, die Innerlichkeit, das Herzensleben, die Liebe. Die Mutter Gottes sagt im Blauen Buch an den Pfr. Don Gobi, dass wir "innerlich leer" werden sollen, v. a. von uns selbst, unserem eigenen Wollen und Urteilen. So schaffen wir Raum für den Glauben und für die Liebe des Hl. Geistes. Erst, wenn wir bereits sind unsere eigene Kraft und unseren verborgenen Stolz aufzugeben, können wir glauben. Das ist auch die Grundhaltung für jegliches Gespräch mit Gott. Gebet ohne Glaube ist kein Gebet, sondern nur ein Heruntersagen von Worten. Das Gebet soll aus dem Herzen kommen, aus einer "aufrichtigen Selbsthingabe" des Herzens. D. h. in den Worten, die ich bete, soll ich selbst mit meiner Person anwesend sein, so wie Christus und der Vater in ihrem Wort anwesend sind, im Hl. Geist. So kommen wir zum letzten Baustein der sieben Edelsteine: dem Gebet

 

 

8. Der Edelstein des GebetesAdam, wie er sein soll!

 

"Das Gebet Christi so zu verstehen, wie seine Zeugen es uns im Evangelium verkünden, bedeutet, sich Jesus, dem Herrn, als dem brennenden Dornbusch zu nähern: Zunächst betrachten wir, wie er betet, dann hören wir, wie er uns beten lehrt und schließlich erkennen wir, wie er unser Gebet erhört (KKK, Nr. 2598)."

 

Wir sehen, dass jeder Christ zuerst einmal lernen muss, was es heißt zu beten und wie er beten soll. Der erste Ort der "Erziehung zum Gebet" ist die Familie. "Der Sohn Gottes, der Sohn der Jungfrau geworden ist, hat in seinem menschlichen Herzen auch beten gelernt. Er lernt die Gebetsformen von seiner Mutter, die alle großen Dinge des Allmächtigen im Gedächtnis bewahrt und in ihrem Herzen bedenkt (KKK. 2599)."

Diese Haltung des "Hörens und Bewahrens" sollte die Grundhaltung beim Gebet sein. Solange wir reden, kann Gott in der Stimme des Gewissens nicht zu uns sprechen. Wir sollen uns nach dem Vorbild Jesu ebenso von der Hl. Mutter Kirche, von unserer Gottesmutter Maria, beten lehren lassen. Sie nimmt uns an der Hand uns zeigt uns, wie wir beten sollen. In erster Linie zählt das "kindliche Gebet ... im Betrachten und Hören wie der Sohn zum Vater betet, erlernen es auch die Kinder (KKK Nr. 2599, 2601)."

Das Gebet ist ein Erheben des Herzens zu Gott. Wir geben Gott unser Herz hin. "Das ganze Gebet Jesu hat seinen Platz in dieser liebenden Zustimmung seines menschlichen Herzens gegenüber dem Vater und dem ,Geheimnis seines Willens' (KKK, Nr. 2603)." Das Gebet ist der Ausdruck unseres "JA" zum Willen Gottes. Jedes Gebet kann deshalb nur erhört werden, wenn wir diesem "JA" gemäß bitten. Jesus sagt dazu, wir sollen in seinem Namen bitten. In seinem Namen heißt seinem Willen gemäß. Das Gebet ist Gespräch mit Gott. Wir bauen eine Liebesbeziehung zu Gott auf, so wie Mann und Frau vor der Hochzeit. Das "Mahl des Lammes" ist sozusagen die Krönung jeglichen Gebetes, die innere Herzensvereinigung, die Hl. Eucharistie. Vor diesem Hochzeitsmahl bauen wir eine stets innigere Beziehung zu Jesus Christus unter der Anleitung seiner und unserer Mutter Maria. Das Gebet ist damit auch ein Weg von außen nach innen, vom mündlichen über das betrachtende Gebet hin zum inneren (beschaulichen Gebet). Der Anfänger beginnt mit dem mündlichen Gebet um überhaupt erst einmal zu lernen, wie man zu Gott beten soll. Hier gibt es drei Grundhaltungen, die uns Jesus selbst offenbart hat:

 

1. Das inständige Gebet (vgl. Lk. 11-5-13)

 

Wir sollen aus der Tiefe unseres Herzens am Hl. Herzen Jesu anklopfen. Jesus meint damit, dass in einer ständigen inneren Verbindung zu seinem Hl. Herzen stehen soll. Es nützt nichts, wenn wir ständig viele Worte im Gebet machen, "plappern wie die Heiden" (vgl. Mt. 6,7) und 30 Rosenkränze am Tag beten, aber das Gebet nur eine mechanische Übung ist und nicht aus dem Herzen kommt. Das inständige Flehen soll aus der Tiefe unseres Herzens kommen und bedeutet immer einen Akt der Hingabe. Wir sollen in einer "kindliche Kühnheit" (KKK, Nr. 2610) beten. "Das Gebet des Glaubens besteht nicht nur darin, dass man ,Herr, Herr!' sagt, sondern dass man sein Herz darauf einstellt, den Willen des Vaters zu tun (KKK, Nr. 2611)." Das Gebet soll uns zu einer "Willensgemeinschaft des Denkens und Fühlens" (Deus caritas est) führen. Eigenwille hindert uns am meisten, dass unsere Gebet in die Tiefe geht und wir im Gebet auf die nächste Ebene vordringen können.

 

2. Das Gebet in gläubiger Geduld (vgl. Lk. 18,1-8)

 

Gott lässt es oft zu, dass unser Gebet erst nach beharrlichem Gebet erhört wird um unsere Treue zu prüfen. "Das Gebet der Jünger ist ein Kampf" (KKK, Nr. 2612) und nur wer im Gebet auch gekämpft hat, lernt wie man richtig beten soll. Unserer Seele wird durch diesen inneren Kampf Spannkraft verliehen, die uns auch in schweren Prüfungen aushalten lässt. Die Beständigkeit im Beten ist oft das größte Problem. Wenn wir eine Glaubenserfahrung machen beten wir anfangs sehr gerne und oft. Gerade aber dann, wenn die Schwierigkeiten kommen, die Trockenheit, Zerstreuung, Zweifel usw., dann werden wir oft kleinmütig und hören auf zu beten. Durch das geduldige Gebet wird Gott uns zuguterletzt erhören, seinem Willen gemäß. Wird unser Gebet nicht erhört, dann sollten wir prüfen, ob das, um was wir bitten seinem heiligen Willen entspricht, oder ob wir nicht mit allzuviel Eigenwillen und Eigenliebe beten. Welche Haltung sollen wir bei diesem geduldigen Gebet einnehmen?

"Bei allem, um was ihr betet und fleht, glaubt, dass ihr empfangen habt, und es wird euch zuteil werden (Mk. 11,24)."

"Wenn du glaubst, das geschieht, um was du mich bittest, ist es schon geschehen." Bei Gott gibt es keine Begrenzung in Raum und Zeit. Es geht einzig darum, dass wir seine Wahrheit in unserem Herzen aufnehmen und annehmen, dann werden wir erkennen und in gleichem Atemzug ist es schon geschehen. Das erkennen wir an den Worten Jesu: "Doch es kommt die Stunde, und schon ist sie da... (Joh. 4,23)." In dem Moment, wo Jesus etwas ausspricht, ist es schon geschehen, weil er "Worte des ewigen Lebens" hat. Er ist Gottes Sohn. Das gleich gilt für unser Gebet. Wenn wir seinem Willen gemäß bitten und "in seinem Wort bleiben" (vgl. Joh. 15,7), dann können wir bitten, um was wir wollen, es wird uns zuteil werden. Wir sollen viel Geduld haben beim Beten. "Man sage nicht: ,Das eine ist doch schlechter als das andre', denn alles ist zu seiner Zeit von Wert (Sirach. 39,21)."

Diese Zeiten legt aber einzig und allein Gott fest und nicht wir! Wir sollen beharrlich am Glauben festhalten, denn in der Standhaftigkeit werden wir das Leben gewinnen. Besonders beim Eintritt ins Ordensleben ist dies wichtig. Wir dürfen nicht erwarten, dass plötzlich alles auf einmal anders wird und wir bald heilig sein werden. Das geistliche Leben braucht einen langen Atemzug und vor allem Geduld mit sich selbst, damit die inneren Wunden Schritt für Schritt ausheilen können. Eine äußere Verwundung am Leib heilt auch nicht in einer Sekunde, sondern braucht etwas Zeit, um abzuheilen. Wir können darauf vertrauen: "Sein Wille setzt sich auf der Stelle durch, es gibt kein Hindernis für seine Hilfe (Sirach. 39,18)." "Alles erreicht der Geduldige" (Hl. Therese v. Avila).

 

3. Das Gebet demütigen Herzens (vgl. Lk. 18,9-14)

 

Das Vorbild für diese Haltung gibt uns der Zöllner, der nicht einmal wagt nach oben zum Himmel zu schauen, sich auf die Brust schlägt und betet: "Sei mir Sünder gnädig". Der Pharisäer fühlt sich schon selbst als gerecht und will sich von den anderen als etwas Besseres hervorheben. Das ist die Haltung des Stolzes und wird zu keiner Erhörung des Gebetes führen. Eine große Gefahr ist es, dass wir unsere Gebetshaltungen vor den Menschen zur Schau stellen, so wie die Pharisäer es taten. Das Gebet soll verborgen sein: "Wenn du aber betest, so geh in deine Kammer, schließ die Türe zu und bete zu deinem Vater im Verborgenen; und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird dir vergelten (Mt. 6,6)."

Wir können "Sei mir Sünder gnädig" auch mit innerem Stolz ausrufen, damit wir Aufmerksamkeit und Anerkennung von den Menschen erregen. Das Gebet des Zöllners war ehrlich und aufrichtigen Herzens gebetet, im Bewusstsein, dass er vollkommen armselig ist vor Gott und sich mit nichts rühmen kann. Die gleiche Haltung nahm auch der Hauptmann von Kapharnaum ein. Er fühlte sich nicht würdig, dass Jesus in sein Haus kommt. Gerade diese Demut war die beste Grundvoraussetzung dafür, dass Jesus seine Bitte um Heilung seines Dieners erhörte. In vielen Fällen werden die Gebete nicht erhört, weil wir mit Stolz, aus Habsucht oder verborgenen Eigenwilligkeiten beten. Der demütige Mensch betet nicht mehr für sich selbst, sondern um Gott zu gefallen und seinen Willen zu tun. Der demütige Mensch, weiß um eine Armseligkeit und stellt sich Gott im Gebet zur Verfügung als Werkzeug für das Erlösungswerk. Unser Gebet soll die "Haltung des Dienens" in sich tragen. Demut heißt "Mut zum Dienen". Führt uns unser Gebet nicht zum Dienst am Nächsten, dann beten wir eigenwillig. Wenn sich unser Leben durch unser Gebet nicht ändert, dann sollen wir unser Gebet verändern!

 

 

Die Stufen der Bekehrung  

 

Das "Fiat" Mariens ist das höchste Vorbild für jegliches Gebet. Maria antwortet auf die Offenbarung Gottes mit der "Hingabe ihres ganzen Wesens: ,Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort' ... - das ist das christliche Gebet; ganz ihm gehören, weil er ganz uns gehört (KKK, Nr. 2617)."

 

Es gibt auch verschiedene Gebetsformen. Es wäre ein Trugschluss zu glauben, dass wir nur mündlich beten können, oder ständig z. B. nur den Rosenkranz beten sollen. Das Gebet ist die Hingabe des Herzens an Gott. Wir sollen Gott unser Herz zur Verfügung stellen durch Maria, damit Jesus Christus uneingeschränkt darin wirken kann zum Heile der Menschen. Gebet ohne Hingabe ist kein Gebet! "Der Buchstabe macht tot, der Geist aber lebendig (vgl. 2. Kor 3,6b)." Das Gebet soll uns stufenweise zu einer Berührung mit dem Hl. Geist führen. Wir sollen uns im Gebet von Gott berühren und verwandeln lassen. Nach der ersten Bekehrung gehen wir noch einen eher aktiveren Weg, wir machen Wallfahrten, besuchen Seminare, lernen den Rosenkranz, beten nach festen Gebetszetteln. Gott will aber weitergehen in der Liebesvereinigung, so wie sich auch Mann und Frau am Beginn der Beziehung unterhalten, dann verlieben, besser verstehen, aufeinander zugehen und schließlich einen Heiligen Bund in der Ehe schließen. Erst dann kommt die innige Vereinigung in der Geschlechtlichkeit. Das Gebet ist eine Reise nach innen zur Tiefe des Hl. Herzens Jesu. Genau so ist es auch mit dem Wort Gottes. So führt uns der Hl. Geist von der ersten Bekehrung früher oder später zur zweiten Bekehrung. Die erste Bekehrung führt uns in das mündliche Gebet ein und ist ein eher aktiver Vorgang. Hier ist der Rosenkranz das wichtigste Gebet. Die zweite Bekehrung zieht uns von unseren festen Rastern und Mustern ab und bezweckt vor allem eine innere Loslösung von uns selbst. Wir sollen uns hier in erster Linie Gott überlassen und ihm lernen immer mehr zu bedingungslos zu vertrauen. Das Rosenkranzgebet wird jetzt lebendiger und inniger. Dieses Umformen-Lassen ist oft ein schmerzvoller Vorgang, weil die Mauern des Eigenwillens niedergerissen werden müssen. Beim mündlichen Gebet und dem eher aktiven Vorgang der ersten Bekehrung ist oft noch sehr viel Eigenwille in unseren Handlungen. Wenn wir uns aber Gott vermehrt überlassen wollen, dann geht es vor allem darum, das, was uns zustößt, Ablehnungen, Schmerzen, Mißerfolge usw. innerlich mit Geduld zu ertragen. Gott benutzt Menschen sozusagen als Werkzeuge, um uns mit Hammer und Meißel zu behauen und zum neuen Menschen zu machen. Einfacher ist dies, wenn wir uns in die "Forma Dei" (Form Gottes), Maria, wie Wachs eingießen lassen. Sie hilft uns auf diesem Weg.

 

 

Bei der zweiten Bekehrung sollen wir tiefer in das Geheimnis des Wortes Gottes eingeführt werden. Dazu ist das betrachtende Gebet notwendig. Hier geht es hauptsächlich um das innere Hören und Verstehen im Herzen. Wir sollen die Worte Gottes "im Herzen bewahren und darüber nachdenken" (vgl. Lk 2,19). Dazu braucht es vor allem viel Schweigen. Wir müssen dabei lernen, oft in uns selbst einzukehren und uns in unserem Denken und Reden zu mäßigen. Das beste Mittel ist hierzu der Gehorsam. Wir vermeiden dadurch die Befleckung durch unseren Eigenwillen. Die Heiligen empfehlen grundsätzlich das betrachtende Gebet, weil es uns vor allem lehrt im Wort Gottes zu "bleiben". Wir können überall betrachten, beim Kochen, Spazierengehen, Bügeln usw. Das betrachtende Gebet führt uns immer mehr in den "Wandel in der Gegenwart Gottes". Wir sollen dahin geführt werden, dass wir in jedem Menschen Gott anschauen und fortlaufend ihn suchen, in allen Dingen. Die Liebe ist am Anfang noch unsicher, wir tasten uns heran an Christus. Bei der zweiten Bekehrung wird sie sicherer und findet sich schließlich in Christus, vor allem durch das betrachtende Gebet. Durch die Betrachtung des Wortes Gottes lernen wir Christus kennen, denn "wer die Schriften nicht kennt, kenn Christus nicht (Hl. Johannes Chrysostomus)."

Wie wir sehen ist das Gebet der Aufbau einer Liebesbeziehung zu Jesus Christus, vergleichbar mit der Beziehung zwischen Mann und Frau, zwischen Bräutigam und Braut. Sich selbst als Braut anzusehen ist der beste Weg um die Hingabe Jesu an uns zu verstehen. Wir sollen uns ganz Christus hingeben, nicht nur halb. Dazu bedarf es auf der zweiten Stufe des Gebetes am meisten das Sich-Überlassen an Gott, das Beugen in seinen Willen. Selbst mit unseren Gebetsgewohnheiten tun wir uns oft keinen Gefallen. Wenn Gott uns auf eine höhere Stufe des Gebetes führen will, dann sollen wir dieser Einladung folgen. Das ständige mündliche Beten, wäre hier sogar völlig falsch und hält uns von der Fortsetzung der Reise nach innen ab. Auch im Gebet gehen wir entweder vorwärts oder rückwärts. Ein Stehenbleiben gibt es nicht. Voranschreiten heißt aber im Gebet nicht, ständig aktiv etwas zu tun, sondern eher genau das Gegenteil, sich immer mehr Gott zu überlassen und hinzugeben. "Weniger ist mehr" heißt es hier, aber dafür tief, aufrichtig und innigen Herzens. Unser Führer auf dem Weg des Gebetes sollte immer der Hl. Geist sein, nicht wir selbst. Nur der Hl. Geist kann uns dazu anspornen und lernen, wie wir beten sollen. Erlauben wir dem Hl. Geist, dass er uns umformen kann und versperren wir uns ihm nicht.

 

Darum geht es im betrachtenden Gebet, die lectio divina. Wir sollen eine vorgestellte Wahrheit lesen und darüber nachdenken (lectio). Dann sollen wir sozusagen in einer "innere Ruhepause" einkehren und die Wahrheit im Herzen erwägen und verstehen (meditatio). Während des Erwägens treten wir langsam in das innere Gespräch mit Gott (oratio) und gelangen schließlich zum Ruhen in Gott, bei dem wir unser Herz einfach nur noch für Gott offen halten (contemplatio). Dieses "Offenhalten" des Herzens führt uns so immer mehr in die Innerlichkeit und Vertrautheit mit Christus. Dies ist auch mit dem Worten Jesu gemeint, das wir "ohne Unterlass" beten sollen. Der Mensch kann nicht ständig mündlich beten, weil er auch Pflichten zu erfüllen hat. Er kann auch nicht ständig den Rosenkranz beten. Er kann aber sehr wohl sein Herz ständig für Gott offen halten. Damit ist die "innere Herzensbereitschaft" gemeint, so dass der Heilige Geist wie durch einen weit geöffneten Kelch fortlaufend durch unseren Leib und unser Herz zu den Menschen strömen kann. Dies ist aber kein Vorgang, den wir steuern, sondern Gott. Das Wichtigste ist, dass wir ganz schwach, arm und weich werden, damit der Hl. Geist auf keine Hindernisse mehr in uns stoßt.  Das Gebet soll uns zur selbstlosen Liebe führen. Daran können wir erkennen, wie weit wir auf dem Weg des Gebetes vorangeschritten sind. Als gutes Mittel hat sich  das Betrachten des Wortes Gottes in Verbindung mit dem Rosenkranz bewährt. Der Rosenkranz tränkt unsere Seele und macht sie bereit für das Wort Gottes. Umgekehrt pflanzt die Betrachtung des Wortes Gottes (regelmäßige) die gute Saat in unsere Seele und lässt uns die einzelnen Geheimnisse des Rosenkranzes immer besser im Herzen verstehen. In uns werden Verstand, Gedächtnis, Wille angeregt, sich ein fortlaufend lebendigeres Bild von Jesus und Maria zu machen. So öffnet sich die Hl. Schrift wie das Hl. Herz Jesu. Wir lesen nicht mehr nur ein Wort, sondern in uns beginnt dieses Wort wie in einem Film Wahrheit zu leben. "Das Wort ist Fleisch geworden" in unserem Herzen . So wird das Wort zum Leben und unser Leben zum Wort. Die Theologie vereint sich mit unserem Leib wie Christus in der Hl. Eucharistie. Die Liebe kann dadurch beständig wachsen.

 

Die dritte Stufe des Gebetes ist das beschauliche (kontemplative) Gebet. Die regelmäßige Betrachtung bereitet uns auf diese Tiefe des Gebetes vor. Hier sollen keine Worte mehr gemacht werden. Die Hl. Theresia vom Kinde Jesu sagt, dass "das beschauliche Gebet nicht anderes als ein freundschaftlicher Umgang" mit Jesus ist, "bei dem wir oftmals ganz allein mit dem reden, von dem wir wissen, dass er uns liebt (vida 8,5)."

Wir haben ein inniges Verlangen nach dem Wort Gottes, nach Christus. Diese Form des Gebetes ist der "Höhepunkt des Betens" (KKK, Nr. 2713). "Man nimmt sich Zeit, um für den Herrn da zu sein" und ist gewillt, "die Liebe, mit der er geliebt wird, zu empfangen, und sie durch noch größere Liebe zu erwidern (KKK, Nr. 2712)."

Hier schreitet also das Beten auf die nächsthöhere Stufe der Hingabe und des Empfangens. Sich hingeben bedeutet, sich immer mehr zu öffnen und die Liebe von Gott zu empfangen. Das bedeutet ein "gläubiges Hinschauen auf Jesus ... Hören auf das Wort Gottes ... ein bedingungsloses Empfanges des Knechtes und liebendes Einwilligen des Kindes (KKK, Nr. 2715; 2716)."

Es ist vor allem "Schweigen" und "eine Gemeinschaft der Liebe" (KKK, Nr. 2717;2719). Das Gebet soll uns in die Gemeinschaft der Hl. Dreifaltigkeit führen und zur Beziehungsfähigkeit mit Gott und dem Nächsten. Gottes- und Nächstenliebe bedingen sich hier einander und werden eins. Dadurch, dass wir in die Gemeinschaft mit dem Hl. Geist treten, gehen wir auch aus uns selbst heraus, verlassen das Ego und gehen in die Gemeinschaft mit den Nächsten. So überwindet die Gemeinschaft der Liebe letztlich jegliche Isolation und Sklaverei der Sünde.

Unser Gebet soll uns verändern und uns nicht die Zeit stehlen. Wir sollen gerne beten, weil wir uns dem ganz hinschenken können, der sich zuvor uns ganz geschenkt hat.

 

Die höchste Form des Gebetes ist letzten Endes das Leiden. Dieses Beispiel gab uns Christus selbst in seiner schmerzhaften Passion. Er sagte vor seinem Leiden: "Nicht mehr viel werde ich mit euch reden; denn es kommt der Fürst dieser Welt, und vermag er auch nichts gegen mich, so soll die Welt doch erkennen, dass ich den Vater liebe und tue, wie mir der Vater aufgetragen hat (Joh. 14,30-31)."

Im Leiden Jesu wird all das in der vollkommenen Hingabe seiner selbst verkündet, was er vorher durch die Worte des Vaters gesprochen hat. "Als die Stunde gekommen ist, in der er den Ratschluss der Liebe seines Vaters erfüllt, lässt Jesus die unergründliche Tiefe seines Gebetes als Sohn erahnen. Diese Tiefe zeigt sich nicht nur, bevor er sich freiwillig ausliefert (,Vater ... nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen': Lk. 22,42), sondern selbst in seinen letzten Worten  am Kreuz, wo Gebet und Hingabe völlig eins sind (KKK, Nr. 2605)."

Das Gebet soll unser ganzes Leben in eine einzige "aufrichtige Selbsthingabe" verwandeln. Unser Leben soll gänzlich mit dem Mysterium Christi eins werden. Unser Herz soll durch das Gebet eins werden mit der Liebe Gottes. So wie Gott seinen Sohn im Leiden vollendet hat, so wird er auch die ganze Menschheit durch das Leiden zur Vollendung, zur Auferstehung führen. Ohne Leiden kann kein Mensch in das Reich Gottes eingehen! Das Leiden bringt uns auf den "schmalen Weg". Die Leiden sind die Wehen der Geburt und lassen uns durch die enge Pforte gelangen, die auf der anderen Seite zum Reich Gottes führt. Jegliches Gebet hat dieses letzte Ziel, dass wir im Herzen vereinigt werden mit der Kreuzesliebe Christi, welche die Liebe Gottes ist. "Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe (vgl. Joh. 13,34)." Das ist der Auftrag, den wir von Jesus empfangen haben. Das Gebet soll uns genau dort hinführen. Unser Gebet wird auch nur dann diese Tiefe Jesu bekommen, wenn wir durch unser Gebet unsere eigenen Leiden in den Leiden Jesu finden und umgekehrt. So erkennen wir, dass Christus sich in seiner erlösenden Passion in jedem Menschen offenbaren und dadurch seine Botschaft der Liebe auf dem ganzen Erdenrund ausbreiten will. Gebet ist Hingabe des Herzens und der Ursprung des Gebetes ist das Herz des Vaters selbst. Der Weg des Gebetes führt daher dahin, immer weniger zu sprechen, sondern nur noch zu lieben. Gebet ohne Liebe ist kein Gebet, sondern nur ein Aussprechen der Worte. Leiden und Gebet sind in Christus nicht voneinander zu trennen. Besonders wenn ein Mensch nur noch leidet (z. B. im Krankenhaus), dann findet er in Christus die heilbringende Erlösung und das Kreuz wird zur Freude. Der Leidende braucht nicht mehr äußerlich mündlich zu beten, weil sein Gebet das Leiden. Das Wort wurde Fleisch und hat unser uns gewohnt (vgl. Joh. 1,14). Wort und Brot sind in Christus eins. Dieses "lebendige Brot" ist gleichzeitig auch das Wort. Im Leiden spricht unser Leib, so wie der Leib Christi vom Kreuz herab das ganze Evangelium verkündet, ohne das Christus spricht. Unser Gebet soll uns vor allem zu dieser Vertrautheit mit den Leiden Christi führen. In dieser Vertrautheit wird sich unser Herz verwandeln und wir werden selbst zum Gebet für die Menschen, alleine durch unser Leben und Vorbild. Das Handeln des Menschen betet oft mehr und verändert die Menschen als viele Worte. Der betende Christ empfindet Mitleid, weil die Passion Christi in seinem Herzen eingepflanzt ist und er sich ganz dieser Liebe hingegeben hat. So erfährt der Christ erst die Tiefe des Gebetes, die ihm Gott schenken möchte, nicht auf Äußerlichkeiten bedacht, sondern zur vollkommenen inneren Hingabe an die Liebe des Vaters. Er ist es ja letztlich, der jedem Menschen das Kreuz gibt, so wie er seinem einzigen Sohn das eine Kreuz gegeben. In diesem einen Kreuz sind alle unsere Kreuze und in dem einen Leiden und Gebet Christi sind all unsere Leiden und Gebete. Er ist unser Meister und Vorbild und nicht wir selbst. 

 

So wollen wir uns abschließend die Worte unseres Heiligen Vaters, Papst Benedikt XVI. zum Gebet zu Herzen nehmen und auch den Menschen weitergeben:

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"Der betende Christ bildet sich selbstverständlich nicht ein, Gottes Pläne zu ändern, oder zu verbessern, was Gott vorgesehen hat. Er sucht vielmehr die Begegnung mit dem Vater Jesu Christi und bittet, dass er mit dem Trost seines Geistes in ihm und in seinem Wirken gegenwärtig ist. Die Vertrautheit mit dem persönlichen Gott und die Hingabe an seinen Willen verhindern, dass der Mensch Schaden nimmt ... eine echt religiöse Grundhaltung vermeidet, dass der Mensch sich zum Richter erhebt und ihn anklagt, dass Elend zuzulassen, ohne Mitleid mit seinen Geschöpfen zu verspüren. Wer sich aber anmaßt, unter Berufung auf die Interessen des Menschen gegen Gott zu kämpfen - auf wen soll er sich verlassen, wenn das menschliche Handeln sich als machtlos erweist?"

(Deus caritas est, Nr. 37)

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FAZIT

 

Wir haben nun die Edelsteine als Leiter zum Himmel betrachtet. Machen wir uns mit Jesus und Maria auf den Weg um als lebendiger Stein eingefügt zu werden in das "lebendige Mosaik", des "Neuen Jerusalem". Wir können sicher sein, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wenn wir uns dem Unbefleckten Herzen Mariens weihen (33-tätige Weihe nach Grignion). Leben wir diese Weihe in der Tat und lassen uns von Maria gefügig leiten, dann erfüllen wir alle Edelsteine und Maria wird mehr und mehr Christus in uns heranbilden. Wir werden nicht mehr "tote" Christen sein, sondern "lebendiges Brot", ein geistiger Tempel, ein Licht, dass auf den Leuchter des Kreuzes Jesu Christi gestellt wird. Diese geistige Stadt wird dann allen leuchten im Raum und sie entzünden. Leben wir die Edelsteine treu durch, mit, in und für Maria auf dem Weg zu Christus, dann werden wir selbst zu einem königlichen Diadem und einem wertvollen Edelstein in den Händen Gottes. So sollen wir diese Edelsteine im Namen Jesu und Mariens an alle Welt weitergeben, damit das "Himmlische Jerusalem" mit den zwölf Edelsteinen gebaut und vollendet werden kann.

 

"Und er entrückte mich im Geist auf einen großen Berg und zeigte mir die Heilige Stadt Jerusalem, die von Gott aus dem Himmel herniederstieg in der Herrlichkeit Gottes. Ihr Lichtglanz gleicht einem kostbaren Stein, wie kristallheller Jaspis (Offb. 21,10-11)."

 

Kurzfassung:

* Ähnliches Thema!

* in wenigen Punkten gesagt!

 

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